Die Wassermuehle
„Das entscheidet eure Mutter, während du dich umziehst.“
„Wenn du glaubst, dass ich im spießigen Konfirmandenkleidchen ...“
„Sagt uns Bescheid, wenn ihr soweit seid“, sagte Sascha und schob Dominique vor sich her in den Flur. „Du kapierst auch gar nichts.“
Dominique riss sich los. „Auch wenn ihr jetzt auf eitel Sonnenschein macht: Ich finde Mamas Verhalten oberscheiße!“
„Ach ja? Und warum hast du dann den halben Vormittag mit der Gans gekämpft und alle fünf Minuten in Frankfurt angerufen?“
„Du bist ein Idiot!“ Dominique verschwand in ihrem Zimmer. Unmittelbar darauf wummerten Bässe durch die Wohnung.
„Hattest du wenigstens einen schönen Abend?“, fragte Klaus.
Hedi lehnte sich gegen die Anrichte. „Mir ist schlecht. Könnten wir das Essengehen verschieben?“
„Die Kinder werden enttäuscht sein.“
„Sie werden dir um den Hals fallen, wenn du ihnen das Edelrestaurant ersparst und stattdessen ein Menü bei McDonalds spendierst. Aber vorher wirf bitte die Stereoanlage in den Müll.“
„Du hast eine Fahne“, sagte Klaus lächelnd.
Hedi rieb sich die Schläfen. „Und einen Kater dazu.“
Klaus küsste sie. „Apropos Kater: Wir hatten gestern Abend Besuch von einer fülligen Dame, die überglücklich war, ihr Schatzibussi wiederzuhaben.“
„Soll das heißen, wir sind das fette Vieh los?“
„Das fette Vieh heißt Maria Magdalena, und ihr ebenso gebautes Frauchen vertrat die Meinung, dass mehrstöckige Häuser ohne Fahrstuhl abgerissen gehören.“
„Was hat Dominique gesagt?“
„Sich heulend in ihrem Zimmer eingeschlossen.“
„O Gott. Und ich habe ...“
„Vergiss es.“
Hedi inspizierte die ruinierte Gans. „Was machen wir damit?“
„Vielleicht hätten wir die gefräßige Maria Magdalena noch ein Weilchen behalten sollen.“ Bevor Hedi etwas erwidern konnte, hob Klaus sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Er legte sie aufs Bett und zog ihr die Schuhe aus. „Schlaf ein bisschen, hm?“
„Es tut mir leid.“
Er zuckte mit den Schultern. „Du bist wieder da, oder?“
„Wir sollten versuchen, mehr Zeit füreinander zu haben.“ Sie lächelte. „So wie früher. Als wir noch Lustiges Offenbacher Steineraten gespielt haben.“
„Den Einstein verzeihe ich dir nie!“
„Ich hatte recht, oder? Albert Einstein war Offenbacher.“
„Gelinkt hast du mich!“, sagte Klaus entrüstet.
Hedi dachte an das efeubewachsene Grab, das sie zufällig auf dem Alten Friedhof entdeckt hatte. „Ich habe nie behauptet, dass dem armen Kerl irgendwann die Relativitätstheorie eingefallen wäre.“
Klaus küsste sie auf die Nasenspitze. „Drei verschiedene Lexika hab ich angeschleppt. Albert Einstein: 1879 in Ulm geboren, 1955 in Princeton, New Jersey, gestorben. Da steht’s. Schwarz auf weiß!“
„Schwarz auf weiß gelogen. Albert Einstein wurde 1880 in Offenbach geboren und starb am ... Mist! Ich hab’s vergessen.“
Klaus lachte. Hedi berührte sein Gesicht. „Ich hatte erwartet, dass du stocksauer auf mich bist.“
„Das war ich auch. Immerhin bin ich wegen dem Scheiß dreimal in die Stadtbibliothek gerannt.“
„Ich meinte wegen gestern.“
„Ich habe zigmal versucht, dich auf dem Handy und im Odenwald zu erreichen. Und danach bei Vivienne. Es war ein ziemliches Ekelwetter. Und die Reifen an unserem Wagen sind nicht mehr die neuesten.“
„Der ganze Wagen ist nicht mehr der neueste.“
„Du hättest im Graben landen können.“
Sie zog ihn aufs Bett. „Ich wusste gar nicht, dass du dich so sehr um mich sorgst.“
„Ach woher. Es geht mir nur um unser Auto. Ich habe vor, noch ein Weilchen damit zu fahren.“
Sie küsste ihn. „Weißt du, was Goethe über die Liebe gesagt hat?“
„Mit Frauen soll man sich nie unterstehen zu scherzen.“
„Tatsächlich?“
Er knöpfte ihre Bluse auf. „Behauptet jedenfalls Uli.“
„Wer jetzt: Goethe oder Uli?“
„Ist doch egal, oder?“
„Wolltest du die Kinder nicht zu McDonalds schicken?“
K APITEL 10
A n Silvester hatten Hedi und Klaus Frühdienst. Um halb acht fuhr Klaus zum letzten Mal mit Uli Streife. Seit drei Wochen wusste er, dass sein Partner am zweiten Januar in die Ermittlungsgruppe nach Rodgau wechseln würde, aber sie hatten es beide vermieden, das Thema anzusprechen.
„Nichts los heute“, sagte Klaus, als sie eine Stunde mehr oder weniger schweigsam durch Offenbach gefahren waren.
„Die Ruhe vor dem Sturm“, sagte Uli. „Heute Nacht geht’s wahrscheinlich
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