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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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Braten, den Streit mit Klaus und daran, dass Juliette dieses Jahr mit dem Prinzesschen feierte. Sie ging ins Schlafzimmer und nahm ihr rotes Leinenkostüm aus dem Schrank. Eine Viertelstunde später war sie auf dem Weg nach Frankfurt.
    „Ich habe es mir überlegt“, sagte sie, als Vivienne die Tür öffnete. Sie trug den kürzlich erstandenen Rock in Häkeloptik, darüber eine pinkfarbene Seidenbluse und sah umwerfend aus.
    Sie lachte. „Komm rein. Dein Mann hat schon zweimal angerufen.“

K APITEL 9
    „ G uten Morgen, du Nachteule!“
    Viviennes Stimme drang nur undeutlich bis zu Hedi vor. Stöhnend öffnete sie die Augen und rappelte sich hoch. „Gott! Wo bin ich?“
    „Auf einem Josef-Danhauser-Sofa, datiert aus der Zeit zwischen 1820 und 1830“, sagte Vivienne lachend. Sie band ihren sonnengelben Bademantel zu und inspizierte die Reste des Weihnachtsbuffets. „Und das, obwohl ich dir mehrfach mein Gästebett zur Benutzung angeboten habe!“
    Hedi presste die Hände gegen ihre Schläfen. Ihr Kopf war ein schmerzender Klumpen. Schuld daran war einer von Viviennes aufdringlichen Bekannten, der ihr einen Vortrag über Expressionismus gehalten und dabei ständig Rotwein nachgeschenkt hatte. Sie versuchte vergeblich, sich an den Namen des Mannes zu erinnern.
    Vivienne naschte von den übriggebliebenen Kaviarhäppchen. „Deine Tochter hat vorhin angerufen.“
    Hedi betrachtete ihr verknittertes Kostüm. „Wie spät ist es?“
    „Fünf nach zehn.“
    „Ach du je!“ Als sie aufstand, wurde ihr schwindlig. Sie hielt sich an der Sofalehne fest und fixierte Viviennes Weihnachtsbaum: eine ebenmäßig gewachsene Nordmanntanne, die mit schwarzen Glaskugeln, schwarzen Schleifen und schwarzem Lametta geschmückt war. Viviennes Gäste hatten Entzückungsschreie ausgestoßen. Hedi fand, der Baum sah aus, als stammte er vom Hauptfriedhof. Wenigstens nadelte er nicht.
    Vivienne drückte sie sanft aufs Sofa zurück. „Ich habe ihr gesagt, dass du rechtzeitig zum Mittagessen zurück bist.“
    „Das Mittagessen liegt im Gefrierschrank. Eigentlich waren wir nämlich eingeladen.“
    „Ich weiß. Bei deiner Tante Juliette im Odenwald. Aber sie hat wegen Grippe abgesagt, und du bist ihr gram, weil sie stattdessen die Feiertage mit einer doofen Bäuerin in einem verkackten Kuhkaff namens Hassbach verbringt.“
    Hedi lief rot an. „Also, bitte!“
    „Tja. Du warst ziemlich redselig heute Nacht.“
    Hedi hielt sich jammernd den Kopf. Die Nordmanntanne fing an, sich zu drehen.
    Vivienne brachte ihr ein Glas Wasser und zwei Aspirin. „Runter damit, und in einer halben Stunde bist du wieder fit.“
    Hedi lächelte gequält. Sie nahm die Tabletten und trank einen Schluck. „Was habe ich sonst noch gesagt?“
    „Dass deine Tante vor Urzeiten Deutschlehrerin an einem Gymnasium in Darmstadt war, und dass ihre Mühle für dich der schönste Platz auf der Welt ist.“
    „War.“
    Vivienne setzte sich neben sie. „Und dass dir Klaus fürchterlich auf die Nerven geht.“
    Hedi zupfte verlegen an ihrem Rock; unterhalb des Bundes war ein Weinfleck. „Ich habe dummes Zeug geredet.“
    „Du hast deine Familie zu sehr verwöhnt.“
    „Wann hat Dominique angerufen?“
    „Es wird Zeit, dass sich dein Ehemann daran erinnert, dass du Bedürfnisse hast, die über Bügeln und Bettenmachen hinausgehen.“
    „Ich muss nach Hause.“
    „Du bist zu gutmütig. Du lässt dich ausnutzen.“
    „Darf ich dein Bad benutzen?“
    „Warum weichst du mir aus?“
    Hedi umklammerte das Wasserglas. „Ich bin nicht in Form für tiefschürfende Diskussionen.“
    „Lass den Haushaltskram eine Weile liegen. Dann merken sie, was sie an dir haben.“
    „Meine Familie ist gegen Chaos immun.“
    „Wenn die Schränke leer sind, müssen sie waschen.“
    „Dann gehen sie lieber einkaufen.“
    Vivienne lächelte. „Ich hoffe, dein Klaus ist im Bett aktiver als bei der Hausarbeit.“
    Hedi schoss das Blut in den Kopf.
    „Nicht?“
    „Vivienne, bitte!“
    „Mein Gott. Sei nicht so spießig.“
    „Bin ich nicht.“
    „Soll ich dir ein paar Tricks verraten, wie du ihn wild machst?“
    „Also eigentlich ...“
    „... ist bei euch alles in Ordnung.“
    „Ja.“ Hedi stand auf. „Ich muss wirklich los.“
    „Hast du schon mal darüber nachgedacht, dich scheiden zu lassen?“
    „Ich wüsste nicht, warum!“
    Vivienne zuckte mit den Schultern. „Früher warst du ehrlicher.“
    Hedis Magen fing an zu rebellieren. Sie hielt sich den Bauch und setzte sich

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