Die Wassermuehle
dem unverständliche Worte folgten. Die Tür flog auf, und Anette zerrte den jammernden Christoph-Sebastian in die Halle. Sie übergab ihn Gerlinde.
„Bringen Sie ihn sofort nach oben!“
„Jawohl, Frau Winterfeldt.“
„Du hast gesagt, ich soll mit dem Auto nicht auf dem Fußboden fahren, und ich bin nicht auf dem Fußboden gefahren“, heulte Christoph-Sebastian. Gerlinde fasste den Jungen am Arm und führte ihn zur Treppe.
„Lass mich los, du Zimtzicke!“, brüllte er.
„So etwas sagt man nicht“, wies ihn Gerlinde zurecht.
„Warum? Papa sagt das auch immer zu Mama!“
Anette wahrte nur mit Mühe Contenance. Die Gäste schauten peinlich berührt in eine andere Richtung.
„Ihr habt ihn also doch nicht umgetauscht“, sagte Klaus.
„Den nimmt auch keiner“, sagte Bernd.
Gerlinde musste die Tafel im Salon mit dem Ersatzgeschirr decken. Noch bevor das Silvesterdinner eröffnet wurde, hatten Klaus und Bernd ihren Hunger mit Whisky gestillt. Sie verstanden sich prächtig. Klaus gab seine Blondinenwitze zum Besten; Bernd lachte grölend.
Anette sah ihn mit einem eisigen Blick an. „Reiß dich gefälligst zusammen!“
„Was hasdu?“, lallte Bernd, trank sein Glas leer und drückte es ihr in die Hand. „Ich disgudiere Brobleme.“
„Trink nicht so viel. Du musst vor dem Essen eine Rede halten!“ Anette winkte einen Diener herbei. Lächelnd hielt der Mann ihr sein Tablett hin. Sie knallte das leere Whiskyglas darauf.
Bernd nahm sich ein Glas Sekt. „Ob ich ’ne Rede halte, enscheide immer noch ich.“
Klaus bediente sich ebenfalls. „Dein Sekt kann sich sehen lassen, Schwägerin.“
Hedi zuckte entschuldigend mit den Schultern. Anette setzte ein Lächeln auf und wandte sich wieder ihren Gästen zu. „Was sagen Sie zu meinem neuesten Objekt, Herr Professor Doktor Schult-Prieslett? Ich habe es vergangene Woche auf einer Vernissage in Paris erworben.“
„Interessant“, sagte Professor Doktor Schult-Prieslett.
Bernd zeigte auf die Holzsäule im Erker. „Sie meint den angekokelten Katzenkletterbaum da drüben.“
„Das ist eine Stele!“, wies Anette ihn zurecht.
„Und wozu braucht man die?“, fragte Klaus.
„Das ist Kunst.“
„Ein sauteurer Katzenkletterbaum ist das“, beharrte Bernd. „Und potthässlich dazu.“
Einige der umstehenden Frauen kicherten. Hedi bekam Mitleid mit Anette. „Du sammelst Kunstobjekte?“
Anette nickte. „Ich habe Ausstellungen junger Bildhauer in Wien und New York besucht und war zu einer Weihnachtsvernissage in Paris eingeladen.“ Sie warf Bernd einen verächtlichen Blick zu. „Ich finde, dass moderne Kunst eine hervorragende Geldanlage ist.“
„Gefallen muss sie aber auch“, sagte Hedi.
„Interessierst du dich etwa für bildende Kunst?“, fragte Anette in einem Tonfall, als läge alles, für das sich Hedi interessierte, ohnehin unter ihrem Niveau.
„Ich bin mit einer arrivierten Malerin befreundet“, sagte Hedi.
„Wirklich? Wie heißt sie?“
Hedi erzählte von Vivienne und ihren Bildern.
„Oh! Da muss ich dir unbedingt eine Bekannte von mir vorstellen. Sie ist in der Branche tätig.“
Anette bugsierte Hedi zu einem Grüppchen teuer gekleideter, sorgfältig geschminkter Damen mittleren Alters. Hedi verwünschte ihr Mitgefühl, als die Damen unisono erklärten, den Namen Belrot noch nie gehört zu haben. Eine von ihnen musterte Hedis Kostüm. „Schick. Wo haben Sie das her?“
„Das habe ich in Offenbach gekauft.“
Die Dame lächelte. „Das gute Stück steht Ihnen erheblich besser als mir. Weil es mir nicht gefiel, habe ich es in Edda Schmielings Secondhandladen gegeben. Sie ist eine Bekannte meiner Putzfrau.“
Hedi setzte das liebreizendste Lächeln auf, zu dem sie fähig war. „Wenn ich gewusst hätte, dass das Kleid, das Sie tragen, wieder in Mode kommt, hätte ich es bestimmt nicht in die Altkleidersammlung geworfen.“ Damit war die Diskussion über moderne Kunst vorerst beendet.
Gerlinde kam aus dem Salon und nickte. Anette schlug an ihr Sektglas; die Gespräche verstummten. „Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie auch im Namen meines Mannes in unserem Hause aufs Herzlichste willkommen heißen.“
Sie sah Bernd an, der sich gerade über einen besonders gelungenen Blondinenwitz amüsierte. „Bevor ich Sie bitte, Ihre Plätze im Salon einzunehmen, möchte mein Mann noch ein paar Worte an Sie richten. Bernd!“
„Was is?“ Er war inzwischen vollständig betrunken.
„Deine
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