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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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bestimmt die Brancatellis von nebenan.“
    Hedi kramte nach dem Hausschlüssel. „Ich werde ja noch wissen, wo unser Wohnzimmerfenster ist!“
    Klaus hielt ihr seinen Schlüsselbund hin. „Immer mit der Ruhe, hm?“
    „Dich würde es nicht mal kümmern, wenn die Welt unterginge!“
    „Ich könnte nichts daran ändern, oder?“
    Hedi zog es vor zu schweigen.
    Im zweiten Stock wartete Rosa Ecklig. Sie hatte ein blaues Blümchennachthemd an und Lockenwickler im Haar. „Es ist eine Unverschämtheit, was Sie und Ihre Brut sich erlauben! Seit Stunden wackeln die Wände von dem Krach! “
    „Wir können nichts dafür, dass Sie Silvester im Bett verbringen müssen, weil niemand Sie einlädt“, sagte Klaus.
    „Das lasse ich mir von Ihnen nicht bieten, Herr Winterfeldt! Das wird Konsequenzen haben!“
    Klaus grinste. „Schreien Sie nicht so, sonst muss ich Sie wegen Ruhestörung anzeigen.“
    „Gute Nacht, Frau Ecklig.“ Hedi zog Klaus hinter sich her die Treppe hinauf. Der Lärm war wirklich unerträglich. Als sie ihre Wohnungstür aufschließen wollte, wurde sie von innen aufgerissen.
    „Oh, hallo! Immer hereinspaziert, die Dame!“, begrüßte sie ein beschwipstes Mädchen in Dominiques Alter. „Wir haben massig Platz, Bier und gute Laune übrig.“
    „Hallo“, sagte Klaus. „Macht mal die Musik ein bisschen leiser, ja?“ Er ging an dem Mädchen vorbei ins Schlafzimmer und schloss die Tür.
    Hedi rannte ins Wohnzimmer. Auf dem Boden flackerten Teelichter, und überall lümmelten junge Leute herum. Zwei Halbwüchsige warfen unter Gejohle Silvesterböller durchs offene Fenster. Auf dem Sofa knutschte ein verliebtes Pärchen. Die Zahl der Bier- und Colaflaschen war nur zu schätzen.
    Dominique stand zur Salzsäule erstarrt neben der Stereoanlage.
    „Dreh sofort die Musik ab!“, brüllte Hedi gegen den Lärm an. Der Technobeat verstummte.
    „Wo kommst du denn jetzt schon her, Mama? “
    Hedi schaltete die Deckenbeleuchtung ein. „Kannst du mir bitte verraten, was hier los ist?“
    „Dominique hat behauptet, dass sie sturmfreie Bude hat“, meldete sich ein pickliger Junge zu Wort. „Da ha’m wir halt beschlossen, ’nen ordentlichen Silvester-Rave abzufeiern.“ Er sah Hedi treuherzig an. „Wir hätten natürlich alles wieder aufgeräumt, Frau Winterfeldt.“
    Das Mädchen, das Hedi die Tür geöffnet hatte, bückte sich nach seiner Jacke. „Ich putz dann mal die Platte. Bye.“
    „Und den Teppich gleich mit!“, sagte Hedi. „Und zwar pronto! “
    Murrend räumten die Jugendlichen den herumliegenden Unrat auf einen Haufen. Dominique sammelte die Teelichter ein.
    Der picklige Junge grinste. „Eins-A-Lob an Sie, Frau Winterfeldt. Ihre Kresse schmeckt echt grell.“
    „Bei mir gibt es keine Kresse.“
    „Claro! Die Brote ham für die ganze Mannschaft gereicht.“
    Hedi ging in die Küche. Von ihrem geliebten Bubikopf war nicht mehr geblieben als ein bisschen braunes Gekrissel.

K APITEL 12
    U nruhig wälzte sich Hedi von einer Seite auf die andere. Der Radiowecker zeigte halb vier, und Sascha war immer noch nicht zu Hause! Oder hatte sie ihn bloß nicht gehört? Klaus schnarchte, als wäre er dabei, den Stadtwald abzuholzen. Sie stand auf und schlich zu Saschas Zimmer. Leise öffnete sie die Tür. Durch das Fenster schien der Mond auf das verwaiste Bett. Sie knipste das Licht an und ging zum Schreibtisch. Vielleicht hatte Sascha eine Nachricht hinterlassen? Sie fand nichts. Doch dann stutzte sie: Unter mehreren Schulheften lag ein dickes Buch. Seit wann interessierte sich ihr Sohn für Literatur? Lächelnd hob Hedi die Hefte hoch – und wurde blass.
    Kursbuch Schwangerschaft hieß das bebilderte Werk, das Antworten auf alle Fragen werdender Mütter und Väter versprach. Das durfte doch nicht wahr sein! Sascha war sechzehn! Sie überlegte, Klaus zu wecken, aber sie sah ein, dass er in seinem Zustand keine große Hilfe wäre. Sie legte das Buch zurück und wartete im Wohnzimmer.
    Die Toilettenspülung der Brancatellis weckte sie auf. Die mondhelle Nacht war in einen grautrüben Morgen übergegangen. Die Uhr zeigte kurz vor halb acht. Hedi rieb sich ihren schmerzenden Rücken. Wie kam sie dazu, auf der Couch zu übernachten? Die Erinnerung vertrieb den Schmerz. Sie sprang vom Sofa und klopfte bei Sascha an. Als keine Antwort kam, ging sie ins Zimmer.
    Vor dem Bett lagen Turnschuhe und ein lila Reiserucksack, den Hedi noch nie gesehen hatte. Sascha hatte die Bettdecke bis zum Kinn gezogen; unten

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