Die Wassermuehle
geht. Weil du Angst hast, dass dein Klaus Nein sagen könnte, stimmt’s?“
„Er hat schon Nein gesagt.“
Vivienne nahm Hedis Hände. „Es geht mich nichts an. Und wenn du nicht darüber reden willst, akzeptiere ich das. Aber du machst mir nicht den Eindruck, als wenn du in deiner Ehe besonders glücklich wärst.“
Hedi schwieg.
Vivienne sah sie ernst an. „Wenn sich dein Mann weigert, mitzukommen, betrachte es als Wink des Schicksals. Trennt euch für ein Weilchen. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um zu entscheiden, was du wirklich willst.“
Hedi zog ihre Hände weg und presste sie vor ihren Mund. „O Gott. Ich glaube, der Wein war schlecht.“
Hedi wurde wach, als jemand gegen die Tür klopfte. Stöhnend befreite sie sich aus Viviennes Umarmung. Juliettes alter Wecker zeigte kurz vor acht Uhr an.
„Ja?“
„Bitte entschuldigen Sie, Frau Winterfeldt. Ich wollte nicht stören, aber ich dachte mir, dass Sie in der Mühle übernachten, weil Sie den Schlüssel nicht zurückgebracht haben“, rief Elisabeth Stöcker durch die Tür. „Ich habe Frühstück mitgebracht. Möchten Sie Kaffee oder Tee?“
„Kaffee, wenn’s recht ist.“
„Und Ihre Bekannte?“
„Für Frau Belrot auch.“
„Was für mich auch?“, murmelte Vivienne verschlafen.
Hedi stand auf. „Frau Stöcker ist da. Raus aus den Federn!“
„Wie spät ist es?“
„Gleich acht.“
„Liebe Zeit! Mitten in der Nacht.“ Vivienne drehte sich um und zog sich die Decke über den Kopf.
Hedi nahm sie ihr weg. „Los, du Schlafmütze! Ich muss heim.“
„Ich fühle mich wie unters Mühlrad gekommen.“
Hedi grinste gequält. „Ich auch. Seit ich mich mit dir abgebe, habe ich mehr Alkohol konsumiert als in meinem ganzen Leben vorher zusammengenommen.“
„Gott, muss dein Leben langweilig gewesen sein.“ Vivienne angelte gähnend nach ihrem Rock, der zerknüllt vor dem Bett lag. „Meine Frage gestern Abend war übrigens ernst gemeint.“
Hedi zog Jeans und Schuhe an. „Welche Frage?“
„Warum du nicht hier einziehst.“
In der Küche duftete es nach Kaffee und frisch gebackenen Brötchen. Elisabeth hatte Butter, Milch, Käse, Wurst und Honig mitgebracht und den Tisch für drei gedeckt. Sie schenkte Kaffee aus.
Vivienne nahm dankbar eine Tasse entgegen. „Sie sind ein Engel, Frau Stöcker.“
Elisabeth lächelte. „Hat Ihr Wagen gestreikt?“
Hedi zuckte die Schultern. „Ich habe schon seit einiger Zeit damit gerechnet, dass die Kiste den Geist aufgibt.“
Nach dem Frühstück fuhren sie mit Elisabeth nach Hassbach. Matthias Mehret, der Inhaber der Dorfwerkstatt, schleppte Hedis Auto ab und versprach, es in spätestens drei Stunden wieder flott zu haben. Elisabeth bestand darauf, dass sie vor der Abfahrt bei ihr zu Mittag aßen.
Hedi versuchte vergeblich, Klaus zu erreichen und hinterließ schließlich eine Nachricht auf der Mailbox. Anschließend machte sie mit Vivienne einen Rundgang durchs Dorf. Sie besichtigten die kleine Kirche und das restaurierte Backhaus auf dem Marktplatz. Vivienne amüsierte sich über den altmodischen Tante-Emma-Laden und die winzige Metzgerei, in der es nicht einmal Lachsschinken zu kaufen gab. In der Ortsmitte blieben sie eine Weile vor einem aufwendig renovierten Bauernhof stehen. Vivienne war fasziniert von den rot gestrichenen Fachwerkbalken und der schwarzblauen Begleitstrichmalerei. Hedi fand die Farben aufdringlich und kitschig.
Elisabeths Zuhause lag in einer engen Seitengasse: ein schmuckes Fachwerkhäuschen, eingezwängt zwischen einer alten Scheune und einem hässlich verputzten Neubau. Im Hof standen ein rostiger Traktor und Elisabeths Geländewagen. In einem Kübel neben der Haustür blühten Stiefmütterchen.
Hedi klingelte.
„Das passt ja prima!“, sagte Elisabeth, als sie ihnen öffnete. „Ich habe gerade den Tisch gedeckt.“
„Fahren Sie den etwa?“, fragte Vivienne mit Blick auf den Traktor.
„Aber sicher“, entgegnete Elisabeth amüsiert. „Schließlich habe ich zwei Kartoffeläcker und ein Getreidefeld zu bewirtschaften.“
„Und womit beschäftigt sich Ihr Mann derweil?“
„Er ist vor sechs Jahren gestorben. Ich hoffe, Sie mögen Erbseneintopf?“
„Das tut mir leid, ich meine das mit Ihrem Mann“, sagte Vivienne verlegen.
Sie gingen ins Esszimmer, ein kleiner Raum, der mit wenigen, sorgsam restaurierten Bauernmöbeln ausgestattet war.
„Haben Sie das Bild von Juliette in der Mühle aufgehängt?“, fragte Hedi.
Elisabeth nickte. „Es
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