Die Wassermuehle
Tür.
Einbrecher, Dolmetscher und Rechtsanwalt waren verschwunden. Auf dem Stuhl von Dr. Spieß saß ein stämmiger Türke mittleren Alters und sah sich Lichtbilder an. Er warf Dieter einen wütenden Blick zu. „Warum Polizei macht nix?“
„Dein Kunde wartet draußen“, sagte Klaus.
„Bitte schauen Sie sich die Fotos an, Herr Gündüz“, sagte Dieter. „Vielleicht ist ja ...“
„Das alles Kanake! Warum ihr schmeißen nicht raus?“
Dieter sah Klaus an. „Bring ihn zu Kunze. Ich bin beschäftigt.“
„Viel Erfolg.“
„Danke für eure Hilfe. Herr Gündüz, Sie sollten wirklich ...“
„Deutsches Staat dummes Staat! Lässt sich bescheiße von die ganze Kanake! Betrüge alle Sozialhilf. Ich weiß. Jeder weiß. Aber Polizei macht nix!“
„Nach dem Auftakt freue ich mich direkt auf unsere Präventivstreife“, sagte Dagmar lächelnd, als sie zum Parkplatz gingen. Klaus nickte.
Sie bestreiften die Innenstadt. Am Funk blieb es ruhig. Die Sonne begann Straßen und Häuser aufzuheizen. Klaus sah aus dem Fenster und gähnte verstohlen. Dagmar bog von der Berliner Straße in die Kaiserstraße ein und fuhr in Richtung Bahnhof. „Willst du mir nicht langsam mal sagen, was los ist?“
„Was soll los sein? Ich habe schlecht geschlafen.“
„Du erzählst keine Witze mehr.“
„Die Frauenbeauftragte ist mir letztens im Traum erschienen.“
„Du siehst furchtbar aus.“
„Sie hat mich auch sehr erschreckt.“
„Ich versuche, mich ernsthaft mit dir zu unterhalten.“
„Warum?“
„Ich möchte nicht, dass mein Streifenpartner unter die Räder kommt.“
„Halt mal an! Da vorn steht einer im Parkverbot.“
Dagmar fuhr an den Bordstein. Klaus stieg aus. Er hatte das Knöllchen zur Hälfte ausgefüllt, als die Fahrerin des Wagens erschien. Sie war jung und hübsch. Klaus zerriss den Strafzettel und kam zum Streifenwagen zurück.
„Was hättest du gemacht, wenn’s ein siebzigjähriger Opa gewesen wäre?“, fragte Dagmar lächelnd.
„Das Auto sichergestellt, den Führerschein eingezogen und eine Blutprobe angeordnet. Du etwa nicht?“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Wir haben gleich Schutzmaßnahme am jüdischen Kindergarten.“
„Ich bin schon auf dem Weg.“ Sie fuhr zum vorgeschriebenen Beobachtungspunkt, stellte den Streifenwagen ab und ließ das Fenster herunter. Die Sonne brannte aufs Dach. Klaus kämpfte mit dem Schlaf.
Dagmar lehnte sich im Sitz zurück. „Alkohol löst dein Problem jedenfalls nicht.“
„Was soll das heißen?“, fuhr Klaus auf.
„Konflikte in der Partnerschaft und Ärger im Beruf sind die häufigsten Gründe, warum Menschen zur Flasche greifen.“
„Ich bitte dich! Willst du mich bei den Anonymen Alkoholikern anmelden, weil ich abends mal ein Bier trinke?“
„Du hast Ärger mit deiner Frau, oder?“
Klaus schwieg.
„Entschuldige. Es geht mich nichts an.“
„Sie ist in eine Wassermühle hinterm Mond gezogen.“
„Wassermühle klingt romantisch.“
„Sie teilt ihr romantisches Anwesen mit Hühnern, Karnickeln und einer verrückten Künstlerin.“
„Hört sich irgendwie sympathisch an.“
„Und ich bin das Monster, vor dem sie flüchten musste, oder was?“
„Na ja, ich glaube, im Großen und Ganzen bist du schon in Ordnung.“
„Danke!“
„Orpheus 18/5 von 18/1 kommen!“, tönte Michaels Stimme aus dem Funk.
Klaus drückte die Sprechtaste. „Hier Orpheus 18/5. Wir stehen Schutzmaßnahme Julius drei. Was liegt an?“
„Sie werden von 18/4 abgelöst. Einsatz in der Groß-Hasenbach-Straße. Wie gehabt.“
„Verstanden.“ Klaus grinste. „Wolltest du nicht mit Frau Westhoffs Besuch ein ernstes Wörtchen reden?“
* * *
Die Wohnung war verwaist, als Klaus mittags heimkam. Er hatte Hunger und war hundemüde. Im Kühlschrank fand er vier Scheiben angetrocknete Salami und einen Käserest. Er trank eine Flasche Bier dazu und ging ins Bett. Schlafen konnte er nicht. Die Sehnsucht nach Hedi tat weh.
Eine Stunde vor dem Nachtdienst fiel ihm ein, dass er am Morgen das letzte Uniformhemd aus dem Schrank genommen hatte. Im Bad wühlte er im Wäschetrockner, zog ein Stoffknäuel heraus und klopfte bei Dominique. Sie lag bäuchlings auf ihrem Bett und blätterte in einem Modekatalog. Die Stereoanlage dröhnte.
„Kannst du mir sagen, wie ich das glatt bekomme?“ Dominique reagierte nicht.
„Wie kriege ich die Falten aus dem Hemd, verflucht noch mal!“
Dominique hob den Kopf. „Oh, hallo Paps. Hab dich gar nicht reinkommen
Weitere Kostenlose Bücher