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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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Literatur philosophiert. Dabei erwähnte ich, dass es früher mein größter Wunsch war, den Grimm zu besitzen: die umfassendste und größte Quelle für den deutschen Sprachschatz, ein Jahrhundertwerk. Leider für Normalbürger unerschwinglich.“
    „Ich kenne nur Grimms Märchen“, sagte Hedi.
    „Da geht es Ihnen wie den meisten Menschen. Die eigentliche Leistung der Gebrüder Grimm war aber nicht ihre Märchensammlung, sondern ein Wörterbuch der deutschen Sprache, das sie 1838 begannen, und das Generationen von Philologen nach ihrem Tod fortführten, bis es 1971 im dreiunddreißigsten Band seinen Abschluss fand.“ Sie lächelte. „Heutzutage kann jeder online und gratis darin blättern. Trotzdem: Ich fände es wunderbar, diese einzigartige Arbeit als Druckausgabe in der Hand zu halten.“
    „Mhm.“
    „Sie fragen sich, wozu eine Odenwälder Bäuerin ein Jahrhundertwerk des deutschen Sprachschatzes braucht, nicht wahr?“
    „Nun ja, es ist zumindest ungewöhnlich“, meinte Hedi.
    „Mein Vater hätte mir meinen Wunsch sofort erfüllt, wenn ich dafür auf die Hochzeit mit Ludwig verzichtet hätte. Ich lehnte ab. Bereut habe ich es nicht.“
    „Sie sind tatsächlich eine geborene von Rosen?“
    Elisabeth nickte. „Aber im Dorf bin ich die Elli, und so soll es bleiben. Wenn Sie mögen, auch für Sie.“
    Hedi zupfte ein Weinblatt von der Hauswand und drehte es in ihrer Hand. „Aber früher hat man Sie ...“
    „... das Prinzesschen auf der Erbse genannt, ja. Die Hassbacher trauten mir nicht zu, in Ludwigs Fachwerkhäuschen zu überleben. Wie Sie sehen, hab ich’s doch geschafft. Wenn auch nicht so, wie ich es mir erträumt hatte.“
    „Ihre Herkunft war also der Grund, warum man Sie Prinzesschen nannte?“, fragte Hedi beschämt.
    „Ja. Schuld daran war Ludwigs Mutter. Sie erzählte überall im Dorf herum, dass die durchtriebene, verwöhnte von Rosen ihrem braven Bub derart die Sinne vernebelt habe, dass er blindlings in sein Verderben renne. Unserer Ehe prophezeite sie ein übles Ende.“
    Hedi musste lachen. „Meine Schwiegermutter hegte die gleiche Befürchtung, wenn auch aus gegenteiligem Grund: Eine Hochwohlgeborene von wäre für ihren zu Höherem berufenen Sohnemann gerade recht gewesen.“
    Elisabeth lächelte. „Ich nehme an, Ihr Mann hat sich davon ebensowenig beeindrucken lassen wie meiner. Er ist Polizist in Offenbach, oder? Zumindest hat mir das Juliette erzählt.“
    Hedi nickte.
    „Auf der Beerdigung hat er sich große Sorgen um Sie gemacht.“
    „Davon habe ich aber nichts gemerkt!“
    Hedi bereute die Worte, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte. Ihre Probleme mit Klaus gingen Elisabeth Stöcker nichts an.
    „Dass er Ihnen nicht in die Eichmühle gefolgt ist, war meine Schuld“, sagte Elisabeth verlegen. „Ich dachte, Sie möchten ein bisschen Zeit für sich. Um in Ruhe Abschied zu nehmen.“
    „Na ja, das war auch so. Woran ist Ihr Mann eigentlich gestorben?“
    Elisabeth betrachtete das Unkraut zwischen den Pflastersteinen. „Trotz Schmerzen ging er nicht zum Arzt. Als er sich endlich untersuchen ließ, war es zu spät. Magenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Nichts mehr zu machen.“
    „Das muss schlimm für Sie gewesen sein.“
    „Juliette hat mir sehr geholfen.“
    „Und was ist mit Ihrer Familie?“
    „Ich habe sie seit meiner Hochzeit nicht mehr gesehen.“
    „Das tut mir leid.“
    „Es ist gut so.“
    Hedi sah Elisabeth aufmerksam an. „Ihr Zweitname, also Carmina von Rosen, kommt mir irgendwie bekannt vor.“
    „Äh ... ja. Es kann sein, dass Sie das verwechseln. Meine Schwester heißt Cornelia von Rosen, treibt sich regelmäßig auf Szeneparties und Modeschauen herum und ist Dauergast in der Yellow Press.“
    „Ach so.“ Hedi war sich sicher, dass sie den Namen Carmina von Rosen in letzter Zeit gehört oder gelesen hatte, doch sie merkte, dass Elisabeth das Gespräch über ihre Familie unangenehm war. „Könnten Sie mir gelegentlich verraten, wie und womit ich künftig die Hühner und Karnickel satt bekomme?“
    „Und die Katzen“, fügte Elisabeth schmunzelnd hinzu.
    „Katzen? Meinen Sie etwa die beiden wohlgenährten Kater, die ums Haus schleichen?“
    „Der rotweiße heißt Tim, der graugetigerte Tom. Juliette hat sie kurz vor ihrem Tod aus dem Tierheim geholt. Wegen der vielen Mäuse im Stall.“
    „Und warum hat sie mir das nicht gesagt?“
    „Die beiden sind wirklich brav.“
    Hedi verzog das Gesicht. „Ich habe da so meine eigenen

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