Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Titel: Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Hamilton
Vom Netzwerk:
kompakt und sauber mit gut gepflasterten, schmalen Straßen, die richtige Gehsteige und streckenweise sogar Lattenzäune hatten. Die Innenstadt war ein Mix aus britisch-kolonialer und karibischer Architektur und hatte die passende Größe für ein Territorium, das etwa fünfzig Inseln und Inselchen mit zwanzigtausend Einwohnern umfasste. Davey gab während der Fahrt zu allem lakonische Kommentare ab. Er deutete auf das zweistöckige Legislativratsgebäude, dessen Erdgeschoss fünf Bögen zierten und über dessen gesamten ersten Stock sich ein Balkon zog. »Oben ist der Gerichtshof.«
    Ava hörte hin, aber nicht wirklich zu. Es war schön, nicht mehr in Georgetown zu sein, das würde ihr bei der Bank allerdings nicht weiterhelfen. Die Bank befand sich mitten in der Stadt im Simon House, einem vierstöckigen, hellblauen Bürogebäude mit Stuckfassade. Sowohl die Straße als auch der Gehweg waren schmal. Davey parkte so dicht an einer Mauer. Ava warf einen Blick auf die Uhr. Es war fünf vor zehn. »Keine Ahnung, wie lange es dauert«, sagte sie zu Robbins.
    »Wir bleiben, wo wir sind«, erwiderte er.
    Die Bank war einer von zahlreichen Mietern in diesem Gebäude. An der Außenwand hingen zu beiden Seiten der weißen Doppeltür mit den verschnörkelten Klinken Schilder der ansässigen Unternehmen. Es gab zwei Messingschilder, eines stammte von Barrett’s Bank, das andere von einer Versicherungsgesellschaft. Die anderen Firmen, etwa zwanzig an der Zahl, hatten je ein weißes Holzschild von der Größe eines DIN -A-4-Blattes. Anscheinend hatten alle mit Offshore-Firmenregistrierung zu tun: Sie boten legale Adressen und ein winziges Postfach für zig ausländische Firmen an.
    Ava trat durch die Tür in ein kleines Foyer, von der in alle Richtungen Flure abgingen. Es gab einen offenen Fahrstuhl, der aus den 50ern zu stammen schien. Sie stieg ein, drückte auf den Knopf für den vierten Stock und spürte, wie sich in der unklimatisierten Kabine gleich Schweißtropfen auf ihrer Stirn bildeten. Fluchend wischte sie sich diese ab, um nicht nervös zu wirken.
    Die Tür öffnete sich, und ein Empfangsbereich mit zwei roten Ledersofas links an der Wand und einem Couchtisch voller Zeitschriften wurde sichtbar. An der rechten Wand hingen Fotos von London: Big Ben, Westminster Abbey, der Tower. Auf dem Boden lag ein breiter Perserteppich. Am anderen Ende des Raumes, etwa zehn Meter von Ava entfernt, saß eine junge Frau hinter einem massiven Mahagonischreibtisch, der bis auf ein Telefon und die Zeitschrift, in der sie blätterte, leer war. Die Wand hinter ihr war mit einer Holztäfelung bedeckt, in deren Mitte ein – in Bronze gegossenes – Barrett’s-Bank-Logo prangte, das mindestens einen Meter breit und zwei Meter hoch war. Hinter dem Schreibtisch sah man links und rechts zwei Stahltüren, die den Weg in die Geschäftsräume der Bank versperrten und in zur Wand passendem Beige gestrichen waren. Ansonsten befand sich niemand im Raum. Das einzige Geräusch war das Rascheln der Zeitschrift.
    Es vermittelt genau den richtigen Eindruck für eine Privatbank, dachte Ava. Geräumig, unprätentiös, auf subtile, solide Art elegant und ruhig. Keine aufdringliche Werbung, die einen aufforderte, einen Autokredit aufzunehmen oder die Hypothek zu refinanzieren. Es wirkte wie eine Bank, wo man Leute erst kennenlernen wollte, bevor sie Kunde wurden, eine Bank, die Geheimnisse wahren konnte. Die Frau sah von der Zeitschrift auf, einem People Magazine . The Economist wäre passender gewesen. »Hallo, mein Name ist Ava Lee. Ich habe einen Termin bei Mr. Bates.«
    Sie lächelte. »Mr. Bates erwartet Sie bereits. Genau genommen, Sie und Mr. Seto.«
    Hier kommen wohl nicht viele Leute vorbei , mutmaßte Ava. »Mr. Seto ist indisponiert. Ich komme allein.«
    »Ich sage Mr. Bates Bescheid. Ich bin gleich zurück.«
    Die Frau erhob sich, ging zur linken Tür, gab einen sechsstelligen Sicherheitscode ein und verschwand.
    Ava betrachtete die Zeitschriften auf dem Couchtisch und fand sowohl The Economist als auch eine Financial Times von vor einer Woche. Sie überlegte, welche sie lesen sollte, als sich die beigefarbene Tür öffnete und die Frau zurückkam. »Hier entlang, bitte«, sagte sie.
    Ava folgte ihr durch einen von verschlossenen Türen gesäumten Flur, an dessen Ende ein großer, schlanker junger Mann im Türrahmen stand, der dem Schauspieler Jude Law verblüffend ähnlich sah. Das kann unmöglich Bates sein , dachte sie. Ein Mann, der die

Weitere Kostenlose Bücher