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Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Titel: Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Hamilton
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nicht in seiner eigenen Pisse herumliegen, falls ich den Banker mitbringe.«
    Sie beobachtete, wie Robbins die Sache mit seinem vom Bier vernebelten Gehirn zu durchdenken versuchte. »Scheiße«, murmelte er schließlich und drängte sich an ihr vorbei zu Seto. Wieder packte er ihn unter den Achseln, hielt ihn auf Armeslänge von sich und trug ihn aus dem Zimmer. Seto sah Ava an, und nackte Panik lag in seinem Blick. Während die beiden Männer im Bad waren, gab sie eine weitere Dosis Chloralhydrat in ein Glas Wasser. Sie hatte nur noch anderthalb Fläschchen übrig. Hoffentlich würde sie nicht alles davon brauchen.
    Robbins trug Seto auf dieselbe Art wieder ins Zimmer, und warf ihn aus einem Meter Entfernung aufs Bett. Die Matratze bebte und Seto blieb seitlich liegen. Ava half ihm auf und hielt ihm das Glas an die Lippen. »Trinken Sie!«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Jetzt machen Sie schon, oder soll Meister Proper Ihnen den Mund aufhalten, damit ich Ihnen das Zeug in den Rachen gießen kann? Betrachten Sie es mal von der Seite: Sie können alles Unangenehme einfach verschlafen. Das ist keine Strafe, ich tue Ihnen einen Gefallen.«
    Seto sah erst Robbins, dann das Glas in Avas Hand an. Er öffnete den Mund und trank. Danach verklebte sie ihm erneut den Mund. »Bald ist es vorbei.«
    Robbins folgte ihr aus dem Zimmer, atmete schwer, und ein überwältigender Gestank nach Bier und Körpergeruch ging von ihm aus.
    »Ich muss mich auf das Meeting vorbereiten und setze mich mit meinen Papieren in die Küche. Es wäre hilfreich, wenn Sie sich von mir fernhalten, bis ich fertig bin.«
    »So sehr störe ich Sie?«
    »Ihr Geruch schon.«
    Er hob den Arm, schnupperte und lächelte. »Ich kann Sie doch nicht allein lassen.«
    Sie ging ins Schlafzimmer, schloss die Tür, kniete sich vor das Bett und sprach ein kleines Gebet an St. Judas Thaddäus. Wegen der römisch-katholischen Haltung zur Homosexualität hatte Ava ihre Bande zur Kirche zwar im Stillen gelöst, trotzdem mochte sie den Glauben ihrer Kindheit nicht ganz aufgeben. Für sie bestand keine Beziehung zwischen der Kirche und dem Gebet oder Judas Thaddäus. Bei der Arbeit betete sie oft zu ihm, nicht weil sie in viele aussichtslose Fälle verwickelt war, sondern weil er auch der Schutzpatron für ausweglose Situationen war, etwas, womit sie sehr vertraut war.
    Nach dem Gebet legte sie Kleidung und Accessoires für den Tag aufs Bett. Sie entschied sich für den Bleistiftrock, weil es ihrer Meinung nach nicht schaden konnte, ihre wohlgeformten, leicht gebräunten Beine zu zeigen. Die weiße Bluse war etwas enger als die übrigen, und der schwarze BH würde sich darunter vage abzeichnen. Die Jade-Manschettenknöpfe und die Haarnadel aus Elfenbein waren ein Muss, ebenso wie die Cartier-Uhr und das goldene Kreuz zur Vervollständigung des Bildes der dezent und konservativ gekleideten, professionellen, erfolgreichen und attraktiven Frau, das sie abgeben wollte.
    In ihre Tasche, die sie bei Meetings immer dabeihatte, packte sie die Visitenkarten von Fong Accounting und Setos Identitätsnachweise ein. Anschließend nahm sie sich zwei Beutel Instantkaffee, ihr Notizbuch und Setos Bankordner und ging damit in die Küche. Robbins saß wieder auf dem Stuhl an der Tür. Sie glaubte kurz, er schlafe, bis er die Augen öffnete.
    Ava setzte den Wasserkocher auf, schlüpfte hinaus auf den Balkon und ließ die Tür offen. Die Sonne, die schon hoch am Himmel stand, strahlte auf den Road Harbour hinab und zauberte ein Glitzern auf die himmelblaue, grüngesprenkelte Karibische See. Es war um die 25 Grad warm, doch ein leichter Passatwind kühlte die Morgenluft. Ava beanspruchte den Balkon für sich, ließ Notizbuch und Ordner auf dem Tisch liegen und ging wieder in die Küche, um sich Kaffee zu machen. Eine halbe Tasse trank sie neben dem Herd stehend und fügte mehr Kaffee und heißes Wasser hinzu, bevor sie auf den Balkon zurückkehrte. Als Erstes ging sie noch einmal den Bankordner durch, um sich den Kontoverlauf einzuprägen. Zum Glück war Jeremy Bates kein blutiger Anfänger. Hätte sie einen Manager erwischt, der noch nie mit Seto zu tun hatte, wäre ihr Job weit schwieriger, vielleicht sogar unmöglich gewesen. Wenigstens wusste Bates, wie Seto aussah.
    Schließlich las Ava nochmals in ihren Notizen, was ihr Seto über die Prozedur bei Überweisungen von über 25   000 Dollar erzählt hatte. Die für die Transaktion nötigen Dokumente bereiteten ihr kein Kopfzerbrechen.

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