Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
vertreten, und ich habe gehört, wie schwierig es ist, dort Geschäfte zu machen«, sagte er.
»Es kann unglaublich frustrierend sein«, bestätigte Ava. »Wir haben mal eine amerikanische Firma vertreten, die einen Vertrag in Shanghai aushandeln wollte. Die Sache zog sich monatelang hin, und jedes Mal, wenn sie glaubten, das Geschäft in der Tasche zu haben, traten neue Probleme auf. Als sie schließlich schon fürchteten, die Sache sei im Sande verlaufen, bekamen sie von den Chinesen die Mitteilung, sie sollten ihre leitenden Angestellten zur feierlichen Unterzeichnung nach Shanghai schicken. Eine Woche später legte der Geschäftsführer auf dem Flug von New York nach Shanghai einen Zwischenstopp in Hongkong ein, wo er am Flughafen von einem seiner einheimischen Mitarbeiter empfangen wurde. Sie hatten gerade ein Fax von der chinesischen Firma bekommen, unterzeichnet von jemandem, mit dem sie nie zu tun gehabt hatten und der ihnen riet, sich die Reise nach Shanghai zu sparen – das Geschäft sei geplatzt. Die Amerikaner versuchten es mit Anrufen, Faxen und E-Mails bei jedem, den sie während der vorangegangenen Verhandlungen kennengelernt hatten. Niemand nahm ihre Anrufe entgegen oder beantwortete ihre sonstigen Anfragen. Dynamic hat für mich ein paar Telefongespräche geführt und herausgefunden, dass der Neffe des Bürgermeisters von Shanghai eine Woche zuvor eine deutsche Firma ins Spiel gebracht hatte. Monate voller Arbeit, komplizierter Verhandlungen und sämtliche Auslagen – ein Handschlag des Neffen mit den Deutschen, und alles war umsonst.«
»Was für eine Geschichte! Wissen Sie, ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich das sage, aber Sie kommen mir ziemlich jung vor für jemanden, der so viel Erfahrung hat und solche Verantwortung trägt.«
»Genau das habe ich auch über Sie gedacht, ich hatte einen alten Banker im Tweedanzug erwartet.«
»Ein Tweedanzug wäre beim hiesigen Klima sehr unpraktisch, um ehrlich zu sein, trage ich selten ein Jackett oder dergleichen«, sagte er lächelnd. »Was mein Alter angeht … tja, Barrett’s ist bei der Rekrutierung recht aggressiv und ausgesprochen progressiv, wenn es darum geht, jüngere Angestellte in Positionen zu befördern, die hohe Ansprüche an ihre Lernkurve stellen. Ich bin vor kurzem 38 geworden, und das hier ist erst mein zweiter Auslandsposten. Davor war ich Stellvertreter in Paris.«
»Ich hatte Sie für jünger gehalten.«
»Danke, obwohl das in diesem Geschäft nicht immer von Vorteil ist. Manchmal kommen Kunden, die darauf bestehen, mit meinem Vorgesetzten zu sprechen.«
»Geht mir genauso. Ich bin Anfang dreißig und werde immer noch behandelt, als hätte ich erst letztes Jahr meinen Uni-Abschluss gemacht.«
»Das überrascht mich ehrlich gesagt nicht. Ich meine, Sie sehen jünger aus als dreißig.«
»Chinesische Gene.«
»Für eine Chinesin ist Ihr Englisch bemerkenswert gut«, sagte er, fügte jedoch gleich hinzu. »Das sollte nicht herablassend klingen.«
»Ich bin in Kanada aufgewachsen und zur Schule gegangen.«
»Ich mag Kanada. Einer meiner Brüder lebt in Montreal und meine Schwester in Vancouver.«
»Ich mag es auch, aber beruflich bedingt hatte ich keine andere Wahl, als nach Hongkong zu gehen.«
»Und Mr. Seto … Wo lebt er genau?«
»Er hat eine Wohnung in Seattle, eine in Hongkong und natürlich ein Haus in Guyana.«
»Ja, meist hatten wir mit ihm zu tun, wenn er in Guyana war.«
Das Thema wollte Ava ungern weiter verfolgen. Sie öffnete ihre Tasche. Zeit, den Einsatz zu erhöhen. »Hier sind die Bankinformationen von Dynamic«, sagte sie und schob Bates einen Zettel hinüber. »Deren Namen und die Adresse haben Sie ja schon. Das sind noch die genauen Angaben der Bank, einschließlich der Filialadresse, der IBAN - und SWIFT -Nummern. Die Kontonummer steht ganz unten.«
»Mr. Seto hat mir geschrieben, dass er eine Überweisung tätigen will.«
»Ja.«
»Über welchen Betrag.«
»Eine über fünf Millionen, die andere über zwei Millionen.«
»Zwei Überweisungen?«
»Ja, die zwei Millionen gehen als Anzahlung an eine Beteiligungsgesellschaft. Die Daten finden Sie hier.« Ava reichte ihm Onkels Bankinformationen. »Die fünf Millionen gehen an Dynamic, wo sie bis zum Geschäftsabschluss hinterlegt werden, was hoffentlich in den nächsten 24 Stunden geschehen sein wird.«
»Insgesamt also sieben Millionen?«
Das war seine einzige Frage? Die zwei Überweisungen gaben ihm nicht zu denken? »Genau.«
Er
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