Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
Restzweifel musste bleiben. Sie durfte nicht klein beigeben. »Ich bin überzeugt, noch während wir reden …«
»Nein, wir haben jetzt genug geredet. Ich muss nachdenken, und Sie müssen Ihre Lage und Ihre Haltung zu mir überdenken. Ich habe meinen Bruder gebeten, Ihnen dabei zu helfen. Er wird vielleicht etwas grob werden, aber Sie sind ein großes Mädchen, und ich erwarte, dass Sie es mit Fassung tragen, und wenn er fertig ist, können wir diese Sache mit ganz neuen Augen betrachten.«
»Das ist …«, begann sie, doch die Leitung war tot. Sie legte Robbins’ Handy auf den Tisch, und in ihrem Kopf herrschte reinstes Chaos. Was zur Hölle hat er gemeint? , dachte sie, als sie plötzlich einen stechenden Schmerz im Nacken und der rechten Schulter verspürte und einen Schrei ausstieß. Sie sprang auf, doch bevor sie sich umdrehen konnte, knickte ihr linkes Bein weg, und sie stürzte mit dem Kopf voran gegen die Küchenwand.
Jack Robbins stand hinter ihr, einen dicken Ledergürtel in der einen und einen Schlagstock in der andern Hand. Wie konnte er sich so lautlos anschleichen? , fragte sie sich, drehte sich um und presste sich mit dem Rücken an die Wand. Er musste ihr mit dem Gürtel auf die Schulter und mit dem Stock in die empfindliche Kniekehle geschlagen haben. Diese Details schienen ihr auf einmal sehr wichtig. Die Gürtelschnalle behielt er in der Hand, um keine sichtbaren Spuren zu hinterlassen. Der Schlagstock war fast einen Meter lang, der längste, den sie bisher gesehen hatte. Er bestand aus Fiberglas, eine technische Spielerei, die für diesen Zweck eigentlich überflüssig war.
»Keine gute Idee, meinen Bruder zu verarschen. Er ist kein Mann, der die andere Wange hinhält«, sagte Robbins.
»Niemand hat Ihren Bruder verarscht.«
»Er sieht das anders, nur das zählt für mich. Er hat mir aufgetragen, Ihnen eine Tracht Prügel zu erteilen, und genau das werde ich tun«, sagte er. »Wenn Sie brav sind, ist es ruck, zuck vorbei.«
Sie schüttelte den Kopf.
Er hob den Schlagstock. »Ich kann damit umgehen, aber ich würde ihn lieber nicht nochmals benutzen. Mit dem Gürtel kann ich Ihnen nichts brechen, damit schon, deshalb rate ich Ihnen, still zu halten. Ihre Entscheidung.«
Sie beugte das Knie. Es schmerzte, ließ sich aber noch bewegen.
Er war mindestens zwei Meter von ihr entfernt, sodass ihm genug Zeit zum Reagieren blieb, falls sie ihn angriff. Den Schlagstock hatte er erhoben, und der Gürtel schwang an seiner Seite leicht hin und her. »Sie müssen das so betrachten«, sagte er und genoss sichtlich den Klang der eigenen Stimme. »Ich versohle Ihnen kurz den Hintern, und mein Bruder ist wieder nett zu Ihnen. Kein schlechtes Geschäft, wenn Sie mich fragen.«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
Der Gürtel traf sie am Oberschenkel. Ava verlagerte das Gewicht auf die Füße.
Misstrauisch trat Robbins einen Schritt zurück. »Lassen Sie sich nicht von meiner Größe täuschen. Ich kann blitzschnell sein«, sagte er.
Sie sank langsam zu Boden. Er starrte sie von oben herab an, sie senkte den Kopf, ließ die Arme hängen, presste ihr Kreuz gegen die Wand, spannte das Gesäß an und drückte die Hände auf den Boden. »Das ist unnötig«, flüsterte sie.
»Mein Bruder hält es sehr wohl für nötig, und ich bin ganz seiner Meinung. Sie sind eine hinterhältige kleine, Fotze; eine Fotze, die erwischt wurde«, sagte er und hob den Gürtel.
»Nicht«, bat sie.
»Ich verliere die Geduld«, versetzte er, den Gürtel hocherhoben.
Sie spürte die Bewegung mehr, als dass sie sie sah, und kaum trat er einen Schritt vor, um zuzuschlagen, stieß sie sich ab und sprang ihm entgegen. Der Gürtel flog knapp an ihrem Gesicht vorbei, als sie Robbins mit der rechten Ferse in den Unterleib traf. Er stöhnte auf, taumelte, fiel aber nicht, und fuchtelte wild mit dem Schlagstock herum.
Die Küche war eng, und Ava immer noch zwischen Robbins und der Wand eingekeilt und selbst durch die ungezieltesten Schläge verwundbar. Sie sprang nach rechts, und der Stock streifte ihren linken Arm. Robbins hatte den Kopf halb abgewandt, sodass nur sein rechtes Auge zu sehen war. Sie visierte es an und stieß zu. Obwohl er in letzter Sekunde auswich, grub sich ihr Fingernagel hinein, bis Blut kam. Er schrie auf und presste sich die Hand, mit der er den Gürtel hielt, aufs Gesicht, sodass sie endlich mehr Platz hatte. Sie bewegte sich nach rechts, um dem Stock auszuweichen, mit dem er blind um sich drosch. Dann ballte
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