Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
gehen.«
»Kein Problem«, sagte sie und griff in ihre Chanel-Tasche. »Hier sind zweihundert Dollar Anzahlung.«
Die Stunde, die sie mit Robbins ausgehandelt hatte, war fast vorbei, und sie wollte ihn nicht außerhalb des Appartements anrufen. Sie hastete zurück, blieb jedoch einen Augenblick vor dem Eingang stehen und hielt nach parkenden Autos oder herumlungernden Gestalten Ausschau. Die Luft schien rein zu sein.
Die Stunde war noch nicht ganz vorbei, als sie sich in der Küche niederließ. Sie benutzte Jack Robbins’ Handy für den Anruf. Der Captain nahm nach dem zweiten Klingeln ab. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Sie so pünktlich sind«, sagte er.
»Ich habe mit Hongkong hin und her telefoniert, und die Überweisung wird noch während unseres Gesprächs in die Wege geleitet. Man hat mir gesagt, der Vorgang wird forciert.«
»Und das heißt?«
»Sie haben gesagt, das Geld soll heute Nachmittag gegen fünf Uhr auf Ihrem Konto sein. Nicht unterwegs, sondern in voller Höhe auf ihrem Cayman-Islands-Konto. Aber Captain, Sie dürfen mich nicht darauf festnageln; ich gebe nur wieder, was man mir versprochen hat. Allerdings habe ich wiederholt betont, dass es funktionieren muss.«
»Alles sehr, sehr geschäftsmäßig.«
»Ich habe darauf bestanden, einen Zeitrahmen genannt zu bekommen, um Sie nicht mit vagen Angaben abspeisen zu müssen.«
»Ich glaube, Ms. Lee, wir haben wieder eine gemeinsame Basis.«
»Das hoffe ich sehr.«
Sie erwartete, dass er eine Kopie der neuen Überweisung verlangen würde, und hatte die passende Antwort schon parat. Doch er wechselte das Thema. »Wie gehts meinem Bruder?«
Ava warf einen Blick auf die massige, reglose Gestalt am Boden. Jack Robbins hatte sich nicht gerührt, seit sie ihm Handschellen angelegt hatte. »Der ruht sich aus.«
»Braucht er ärztliche Versorgung?«
»Vielleicht, jedoch erst, wenn das Geld auf Ihrem Konto ist und Sie mir grünes Licht gegeben haben, Road Town zu verlassen.«
»Freut mich, festzustellen, dass Sie einen klaren Sinn für Prioritäten haben.«
So viel zu Jack Robbins , dachte sie wieder. »Ich muss noch ein paar Vorkehrungen treffen«, erwiderte sie. »Die Flüge von hier sind anscheinend so gut wie ausgebucht. Heute Abend geht ein Flugzeug nach San Juan, in dem noch ein paar Plätze frei sind. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich vorläufig einen Platz buchen.«
»Meinetwegen. Welche Flugnummer?«
»American Airlines 4 866, Abflug um 20.55 Uhr.«
»Gut.«
»Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Mr. Thomas von meinen Plänen unterrichten und dafür sorgen, dass mein Pass später bei meinem Appartement abgeliefert wird.«
»Ich spreche mit Thomas, sobald das Geld auf meinem Konto ist.«
»Ich verstehe.«
»Und Sie können davon ausgehen, dass Sie Ihren Pass am Flughafen abholen müssen. Thomas ist kein Kurierdienst, wissen Sie.«
»Kein Problem.«
»Nun, ich muss sagen, diese Unterhaltung war weit angenehmer als die letzte.«
»Für mich ebenfalls.«
»Dann haben Sie bis heute Nachmittag noch viel Zeit totzuschlagen. Irgendwelche Pläne?«
»Ich muss eine Weile aus dem Appartement heraus. Stundenlang Ihren Bruder und Seto anzustarren, ist mehr, als ich ertragen kann. Ich gehe spazieren und eine Kleinigkeit essen und habe das Mobiltelefon Ihres Bruders dabei, falls Sie mich erreichen wollen.«
»Gehen Sie nicht zu weit weg.«
»Keine Sorge«, sagte sie.
Nachdem sie aufgelegt hatte, buchte sie im Internet den American-Airlines-Flug nach San Juan. Anschließend reservierte sie mit einer anderen Kreditkarte unter anderer Adresse einen Platz im American-Airlines-Flug Nummer 672, der St. Thomas gegen 15.30 Uhr verließ und um 17.20 Uhr in Miami landete, und einen Anschlussflug nach Toronto um 20.08 Uhr. Kurz nach Mitternacht würde sie zu Hause sein.
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A va beschloss, bequem zu reisen, und zog ihre Turnschuhe, die Sporthose und das schwarze T-Shirt an, in dem sie geschlafen hatte. Sie packte methodisch, legte ihren Schmuck und das Bargeld in die Chanel-Tasche, die sie ihrerseits ganz unten in der Louis-Vuitton-Tasche deponierte und mit ordentlich gefalteter Unterwäsche zudeckte. Das einzige kostspielige Accessoire, das sie trug, war die Elfenbein-Haarnadel.
Als sie die Shanghai-Tang-Tasche packte, fiel ihr ein, dass sie noch einen Rest Chloralhydrat und das Messer hatte. Sie leerte die Shampoo-Fläschchen im Waschbecken aus. Es bestand zwar nur eine geringe Chance, dass jemand sie
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