Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
kommen.
Zehn Minuten später machte sie sich einen Kaffee, setzte sich vor den Computer und informierte sich über die British Virgin Islands und ihre karibischen Nachbarn. Sie musste nicht lange suchen.
Kurz vor halb acht saß sie auf dem Balkon und rief Derek an, im Schoß das aufgeschlagene Notizbuch.
»Hi, Ava«, sagte er mit verschlafener Stimme.
»Ich habe deine Nachricht bekommen, danke.«
»Du benutzt dein eigenes Handy. Alles in Ordnung?«
»Zumindest besser als vorher.«
»Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Onkel auch. Er hat mich angerufen und gefragt, was passiert ist. Er habe ein paar Männer in New York in Bereitschaft, wolle aber noch warten, bis er von dir hört, bevor er etwas unternimmt.«
»Ich rufe ihn an, sobald wir fertig sind.«
»Ich hab die Mädchen ausfindig gemacht.«
»Das dachte ich mir. Was hast du herausgefunden?«
Derek hatte gründlich gearbeitet. Als er geendet hatte und Ava ihre Notizen noch einmal durchging, bekam sie das Gefühl, dass die Kontrolle zumindest teilweise wieder in ihren Händen lag.
Der Kai unter ihrem Fenster erwachte allmählich zum Leben. Kleine Schalterhäuschen säumten die Piers, die meisten boten Charterboote und Kreuzfahrten an. Die Läden öffneten. Zuerst Hongkong, dachte sie.
»Wei, Ava«, sagte Onkel außer Atem. »Wo bist du?«
»Immer noch auf den British Virgin Islands.«
»Du benutzt dein Handy.«
»Die Situation hat sich verbessert.«
»Ich habe mir schon Sorgen gemacht«, seufzte er.
»Ich weiß. Tut mir leid, Onkel. Und hast du die zwei Millionen bekommen, die ich dir überwiesen habe?«
»Ja, sie waren gestern Morgen da, und Tam hat sein Geld auch schon. Mein Freund ist dankbar, wenn auch weniger als Tam … Aber was ist mit dir? Hat es mit der falschen Überweisung geklappt?«
»Nein.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass es zu riskant ist … Und was nun, Plan B?«
»Es gibt einen Plan C.«
»Schicken wir das Geld jetzt auf die Cayman Islands?«
»Nein. Das Geld bleibt, wo es ist.«
»Gibt es einen anderen Weg, wie ich dir helfen kann?«
»Nein, ich komme schon zurecht.«
»Sei vorsichtig.«
»Wie immer.«
»Ich habe Männer in New York, keine acht Stunden entfernt.«
Ava konnte sie vor sich sehen: Zwei bis drei gebrochen Englisch sprechende, kleine Chinesen, aus deren Hemdkragen Tattoos lugten und deren US -Ausweise einer genaueren Prüfung standhielten oder auch nicht. »Ich brauche sie nicht, trotzdem danke.«
»Du musst auf jeden Fall mit mir in Kontakt bleiben. Wenn du nochmals länger als 24 Stunden verschollen bist, schicke ich sie zu dir.«
»Keine Sorge, Onkel. Ich melde mich.«
»Wann wirst du diesen Ort verlassen?«
»Heute, schon bald. Ich rufe dich an, sobald ich alles organisiert habe.«
»Jederzeit. Ich lasse das Handy an.«
41
A lle Charterbüros sahen gleich aus, und alle schienen die gleichen Dienstleistungen anzubieten. Deshalb entschied sich Ava für das größte, in der Annahme, dass es ihre Chancen, ein Boot zu bekommen, erhöhen würde.
»Ich verbringe meine nächste Urlaubswoche auf St. Thomas und dachte mir, ich fahre auf dem Seeweg dorthin«, sagte sie zu dem wettergegerbten, kleinen Mann am Schalter.
»Sie können ein Kreuzfahrtschiff nehmen.«
»Ich würde lieber allein fahren.«
»Das ist teurer.«
»Macht nichts.«
»Unbemannt?«
»Bitte?«
»Wollen Sie das Boot selbst steuern?«
»Natürlich nicht.«
»Also brauchen Sie eine Mannschaft?«
»Zumindest jemanden, der das Boot steuert.«
»Nur hin?«
»Ja.«
»Wir müssten trotzdem beide Fahrten berechnen.«
»Kein Problem.«
»Welche Art Boot?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wollen Sie ein Segel- oder eine Motorboot?«
»Es sollte schnell gehen.«
»Ein Motorboot also.«
»Wenn Sie es sagen«, entgegnete Ava.
»Wann wollen Sie aufbrechen?«
»Tja, wie lange dauert denn die Fahrt?«
»Die Strecke ist nur knapp fünfzehn Kilometer lang, also etwa zwei Stunden.«
»Gut, dann noch heute Morgen.«
»Etwas genauer müsste es schon sein.«
»Zehn Uhr?«
Er schlug ein Reservierungsbuch auf, das vor ihm lag. »Gern, aber es steht nur eine Bavaria 35 zur Verfügung. Die ist teuer.«
»Wie viel?«
»Hin und zurück etwa sechshundert Dollar, plus Trinkgeld für den Skipper.«
»Ist bar okay?«
»In bar geht.«
»Perfekt. Ich komme um zehn wieder.«
»Ich brauche einen Namen.«
»Lee.«
»Und Kontaktdaten.«
Sie gab ihm ihre Mobilfunknummer.
»Sie benötigen Ihren Pass, um auf der US -Seite an Land zu
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