Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
haben die Jungs kennengelernt. Falls wir uns einigen können, leihe ich Ihnen einen der beiden als … Kontaktperson. Irgendwelche Vorlieben?«
»Wer ist ranghöher?«
»Patrick.«
»Dann nehme ich ihn.«
»Immer vorausgesetzt, wir kommen ins Geschäft«, sagte Captain Robbins.
»Natürlich.«
24
A va rief Marc Lafontaine an und hinterließ eine Nachricht auf seiner Mailbox, in der sie sich dafür entschuldigte, wie der Abend geendet hatte. Sonst nichts. Wenn alles nach Plan verlief, würde sie nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Onkel nahm nach dem ersten Klingeln ab. »Ava, wann wirst du den Auftrag abschließen?«
Sie war überrascht. Onkel drängte sonst nie zur Eile. »Ich weiß noch nicht. Zwei Tage, vielleicht drei. Ich habe heute Fortschritte erzielt … Ist was passiert?«
»Wir haben einen dicken Fisch an Land gezogen. Kennst du Tommy Ordonez?«
»Den philippinischen Milliardär?«
»Genau der. Er hat chinesische Wurzeln, sein eigentlicher Familienname ist Chew, aber er hat ihn ändern lassen, um bei den Filipinos weniger aufzufallen. Einer seiner Brüder, David Chew, wohnt hier in Hongkong, ein anderer, Philip Chew, in Vancouver. Tommy ist der Älteste, deshalb fließt alles Geld der Familie durch seine Hände. Er hat mich heute durch einen Freund anrufen lassen.«
»Tommy Ordonez ist bei einem Geschäft gelinkt worden und braucht unsere Hilfe, um das Geld zurückzuholen?«, fragte sie.
»Unsinn – niemand linkt Tommy Ordonez«, sagte Onkel. »Der Bruder in Vancouver war so dumm. Jemand, der offenbar keine Ahnung hat, dass er es mit Tommys Bruder zu tun hat, hat die Familie bei einem Grundstückskauf um mehr als fünfzig Millionen betrogen. Wenn es auf den Philippinen, in China oder irgendwo in Asien passiert wäre, würde sich Tommy selbst darum kümmern. Kanada ist eine andere Welt. Deshalb hat ihn ein Freund an uns verwiesen. Wir haben den Zuschlag. Ich musste zwar unseren Anteil senken, aber nicht viel.«
»Ich brauche noch mindestens drei Tage, aber nagel mich bitte nicht darauf fest«, sagte sie.
»Wenn Tam nicht der Neffe meines Freundes wäre … Drei Tage, glaubst du?«
»Mindestens.«
»Wie weit sind wir?«
»Ich habe Seto gefunden. Und es scheint, als hätte ich die einheimischen Machthaber auf meine Seite gebracht. Jetzt muss ich nur noch Seto in die Finger bekommen und Tam das Geld wiederbeschaffen.«
»Wie viel wollen die Einheimischen?«
»Hunderttausend, im Voraus, per Überweisung.«
»Du weißt …«
»Ja, ich weiß«, unterbrach ihn Ava lauter als beabsichtigt. »Es geht nicht anders, ohne ihre Hilfe schaffe ich es nicht. Hier ist es wie in einem chinesischen Provinznest, wo ein Mann alles kontrolliert und nichts ohne seine Zustimmung geschieht. In diesem Fall wird er kein grünes Licht geben, bevor ihm das Geld überwiesen worden ist.«
»So mächtig ist er? Und so unnachgiebig?«
»Ja und ja.«
»Gut, Ava, ich verstehe. Wohin soll ich das Geld überweisen?«
»Das erfahre ich erst morgen.«
»Sobald du es weißt …«
»Onkel, ich will diese Sache noch dringender hinter mich bringen, als du Tommy Ordonez zum glücklichsten Mann der Philippinen machen willst.«
»Verzeih«, sagte er.
Ava war es nicht gewohnt, dass sich Onkel bei ihr entschuldigte. Wenn er einen Fehler machte – was selten vorkam –, räumte er ihn aus der Welt und erzählte ihr von der veränderten Situation, ohne ihn einzugestehen. Und sie nahm die Veränderung hin und erwähnte mit keinem Wort die Ereignisse, die dazu geführt hatten. Es genügte, dass sie beide Bescheid wussten. Vermutlich fühlte er sich schuldig, weil er sie wegen Tommy Ordonez unter Druck setzte, obwohl der Auftrag von Tam noch nicht abgeschlossen war.
»Lass mich den Fall hier abschließen«, sagte sie, »und dann machen wir aus den Chews wieder eine große, glückliche Familie.«
Ava nahm den James-Clavell-Roman mit ins Bett. Sie schlief erstaunlich gut und wachte erst nach acht Uhr auf. Auf das Frühstück und die Gesellschaft von Tom Benson verzichtete sie und ging eine Runde joggen, diesmal ohne Zwischenfälle. Als sie zurück ins Hotel kam, machte Patrick in einem der Lobby-Sessel mit nach hinten gelegtem Kopf und halb offenem Mund ein Nickerchen. Sie berührte ihn leicht am Arm. Er schnaubte, war aber sofort hellwach und schlug die Augen auf.
»Ich war beim Joggen.«
»Ja, das hat man mir erzählt. Der Captain hat gesagt, ich soll Ihnen das hier geben. Das ist alles, was wir letzte Nacht über
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