Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
nützt?«
Sie zuckte die Schultern.
»Was müssten wir denn tun?«
»Nicht eingreifen. Dafür sorgen, dass alle sich heraushalten.«
»Klingt einfach.«
»Das soll nicht heißen, dass ich ab einem bestimmten Punkt keine aktive Hilfe brauche.«
Seine Augen funkelten, und sie fragte sich, was ihn so amüsierte.
»Es besteht ein wesentlicher Unterschied dazwischen, wegzuschauen oder aktiv bei was auch immer mitzumachen«, sagte Robbins.
»Alles hat seinen Preis.«
»Sie denken immer nur ans Geld, Ms. Lee.«
»Ich bin Wirtschaftsprüferin«, entgegnete sie.
»Eben.«
»Ich kann unmöglich jetzt schon wissen, welche Art von Hilfe ich eventuell benötige, bis ich an Seto herankomme und etwas Zeit mit ihm verbracht habe.«
»Könnten Sie mir trotzdem eine grobe Vorstellung geben?«
»Ich bräuchte alle Informationen über ihn, die Sie haben. Es gibt doch bestimmt irgendwo Unterlagen über ihn.«
»Die dürften nicht schwierig zu beschaffen sein.«
»Er hat einen vietnamesischen Bodyguard. Ich möchte, dass er für 48 bis 72 Stunden aus dem Verkehr gezogen wird.«
»Und weiter?«
»Seto geht anscheinend jeden Abend in Eckie’s Club. Ich will ihn dort ansprechen. Wenn er nicht kooperativ ist, muss ich ihn woandershin bringen. Ich kann ihn schlecht ins Hotel mitnehmen. Sein Haus wäre ideal, aber ich weiß nicht, ob das machbar ist, deshalb ist ein Plan B notwendig.«
»Ihnen ist klar, dass das ziemlich teuer wird?«
»Wenn ich ihn woandershin bringen muss, brauche ich Unterstützung, das heißt, Sie müssten mir Leute zur Verfügung stellen.«
»Sonst noch etwas?«
»Bis jetzt nicht.«
»Das sind ziemlich viele Eventualitäten.«
»Es ist immer besser, auf alles vorbereitet zu sein.«
»Wie Sie wissen, bezahlt er meine Freunde dafür, seine Interessen zu wahren.«
»Ich bezahle mehr.«
»Aber nur einmal. Er bezahlt jährlich. Ganz zu schweigen von all den Eventualitäten. Wie berechnen wir die in der Gleichung?«
»Gehen Sie davon aus, dass ich alle Hilfen benötigen werde, die ich aufgezählt habe, dann nennen Sie mir eine Summe, die all das beinhaltet und dafür sorgt, dass jeder über die neue Freundschaft glücklich ist.«
Er nippte vorsichtig an der Bierflasche. »Ich bin gut in Mathematik«, sagte er.
Ava würde auf keinen Fall das erste Angebot auf den Tisch legen. Das war Onkels wichtigste Regel bei Verhandlungen: Lass die andere Partei anfangen. Ein Rat, der eigentlich überflüssig war. Ihre Mutter hatte das ihr Leben lang praktiziert, bei jeder kleinen oder großen Anschaffung. Selbst in der Chanel-Boutique in Toronto betrachtete sie das Preisschild nur als Eröffnungsgebot. Für Ava war das eine Lektion fürs Leben. Sie drehte die Handflächen nach oben, als wisse sie nicht, wo sie beginnen solle, und schaute ihn abwartend an, damit er den Anfang machte.
Er stieß einen Seufzer der Verzweiflung aus. Sie konnte ihn fast rechnen sehen. Wie viel Geld war hier für sie zu holen? Wie viel hatte Seto unterschlagen? Er befand sich in Guyana, nicht auf den Cayman Islands, demnach war es wohl kaum ein Vermögen. Welchen Prozentsatz davon konnte er für sich beanspruchen?
»Für zweihunderttausend bekommen Sie alles, was Sie brauchen«, sagte er.
Sie hatte mehr erwartet. »Das ist zu viel, Captain. Eine solche Summe würde mein Klient niemals zahlen.«
»Also …?«
Sie konnte ihn nicht beleidigen. Sie hatten schon vorher für Hilfe bezahlt, manchmal bis zu zehn Prozent des wiederzubeschaffenden Geldes. Dabei hatte es sich allerdings um erfolgreich abgeschlossene Aufträge gehandelt. Hier ging es um eine Zahlung ohne Garantie. Doch Ava wusste, dass sie ohne Captain Robbins nicht weiterkam.
»Hunderttausend – US -Dollar versteht sich«, sagte sie.
»In bar?«
»Wir bevorzugen telegrafische Überweisungen.«
»Im Voraus.«
Onkel hasste es, im Voraus zu zahlen. Das größte Zugeständnis, zu dem er sich bereit erklärt hatte, war, die Hälfte im Voraus und die andere Hälfte nach Abschluss. Robbins hatte kein Angebot gemacht – das waren seine Bedingungen. Sie spürte, wenn sie zu handeln versuchte, würde das die bisher konfliktfreie Beziehung empfindlich stören. Onkel würde sich damit abfinden müssen.
»In Ordnung.«
Captain Robbins verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Gut, lassen Sie mich mit meinen Freunden reden. Wenn sie mit dem Arrangement einverstanden sind, lasse ich Sie wissen, wie das Geld überwiesen werden soll.« Er deutete auf Robert und Patrick. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher