Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
Vergewaltigungsvorwürfe … Sie hatten allerdings etwas Interessantes zu berichten, behaupteten, sie hätten harmlos auf der Ufermauer gesessen, als diese junge Frau vorbeikam. Sie geben zu, dass sie sie angestarrt und vielleicht ein paar unpassende Bemerkungen gemacht haben, aber nichts, was das Folgende gerechtfertigt hätte. Einer hat sich eine gebrochene Nase geholt. Der andere hat eine gequetschte Luftröhre und kann sich freuen, noch am Leben zu sein. Es sind kräftige Männer, Mr. Lafontaine. Ich wage zu behaupten, selbst für Sie oder mich wäre es schwierig gewesen, es mit beiden gleichzeitig aufzunehmen. Sie joggen doch, Ms. Lee?«
»Gelegentlich.«
»Die Opfer – oder Täter, wenn Sie so wollen – haben zu Protokoll gegeben, dass die besagte Frau aus diesem Hotel kam. Soweit wir feststellen können, ist Ms. Lee die einzige Chinesin hier.« Robbins betrachtete sie nicht unfreundlich. »Sagen Sie mir, wie erklären Sie sich die Verletzungen der beiden Männer?«
»Ich habe mich zurückgehalten.«
Robbins brach in schallendes Gelächter aus. Patrick und Robert fielen mit ein. Marc Lafontaine sah aus, als sei er im falschen Film gelandet.
»Marc, ich muss etwas Geschäftliches mit Captain Robbins besprechen, und ich glaube nicht, dass Sie dabei sein sollten«, sagte sie sanft.
»Ms. Lee hat völlig recht. Wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen, Mr. Lafontaine«, sagte Robbins und wischte sich Lachtränen aus den Augen. »Sie gehen wohl besser.«
Lafontaine wollte antworten, doch Ava unterbrach ihn: »Ich rufe Sie an, wenn ich Ihre Hilfe brauche.«
Sie sahen ihm nach, während die drei Männer weiter glucksten. Robbins sagte: »Wie hätte ich Patrick allein zu Ihnen schicken können, nachdem ich diese Geschichte gehört hatte? Was, wenn er Sie beleidigt hätte?«
»Meine Situation war keineswegs lustig. Die Männer wollten mich vergewaltigen. Ich habe sie lediglich außer Gefecht gesetzt.«
»Verzeihen Sie«, sagte Robbins. »Bitte, setzen Sie sich doch.« Robbins nahm ebenfalls Platz; seine beiden Männer blieben hinter seinem Sessel stehen. »Ich habe selbst Töchter, wie Sie wissen, und die Lage, in der Sie sich befunden haben, lässt mich nicht kalt. Ich wünschte, jedem, der das bei meinen Töchtern versucht, würde das Gleiche widerfahren. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass meine Mädchen jemanden so zurichten könnten. Sie sind eine erstaunliche junge Frau, Ms. Lee. Deshalb musste ich Sie persönlich kennenlernen. Ich dachte, Sie wären gebaut wie eine Kugelstoßerin.«
»Ich weiß es zu schätzen, dass Sie persönlich gekommen sind«, sagte sie.
»Ich habe mir ein Bier geholt. Und was darf ich Ihnen bringen?«
»Nichts, danke. Ich bin nicht durstig.«
»Die typische Antwort einer Havergal-Absolventin.«
»Die ich ja auch bin.«
»Ich glaube es Ihnen. Also, worum geht es bei diesem Geschäft, in das Sie verwickelt sind? Es klingt nicht wie etwas, worauf sich eine Havergal-Schülerin üblicherweise einlassen würde.«
»Ich bin Wirtschaftsprüferin, kümmere mich um Geld, das unterschlagen wurde, und versuche es dem rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben.«
»Das unterschlagene Geld ist hier in Guyana?«
»Nein, das Geld ist auf den British Virgin Islands, aber der Dieb befindet sich hier.«
»Name?«
»Jackson Seto.«
In Robbins’ Augen zeigte sich kein Wiedererkennen. Ava schöpfte Hoffnung: Wenn er Seto nicht kannte, stand er nicht allzu hoch in der Nahrungskette.
»Jungs, habt ihr irgendwelche Informationen für mich?«, wollte Robbins wissen. Patrick beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Captain Robbins sah Ava an und sagte: »Würden Sie uns kurz entschuldigen, Ms. Lee? Wir müssen etwas besprechen.«
Ava verließ die Lounge und setzte sich absichtlich mit dem Rücken zu den Männern in die Lobby. Nach weniger als einer Minute tippte ihr jemand auf die Schulter. Patrick schaute auf sie hinunter. »Der Captain hat jetzt Zeit für Sie.«
Jetzt waren sie unter sich; die beiden anderen Männer hatten sich in die Lobby zurückgezogen.
»Seto ist der Freund eines Freundes«, erklärte Robbins.
»Ich wäre eine bessere Freundin.«
Captain Robbins legte die Fingerspitzen aneinander und berührte damit seine Nase. »Wessen Freundin?«
»Das liegt bei Ihnen.«
»Sagen Sie mir, was Sie mit Seto vorhaben.«
»Ich muss ihn überreden, das Geld zurückzugeben.«
»Mit reiner Überzeugungskraft?«
»Ja.«
»Und wenn das nichts
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