Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
ihre körperliche Unversehrtheit zu behalten. Dabei geht es allerdings nur um Geschäfte unter Chinesen – all unsere Klienten sind Chinesen – in Hongkong, New York, Toronto oder Vancouver. Sie glauben, ich sei von den Triaden geschickt worden, und wenn sie sich nicht mit mir einigen, tauchen demnächst vier Typen mit Macheten neben ihrem Bett auf.«
»Der Captain vermutet dasselbe.«
»Ich habe keine Typen mit Macheten in meinem Hotelzimmer versteckt«, sagte sie lächelnd. »Außerdem habe ich keine Tätowierungen. Mitglieder der Triaden sind tätowiert, das weiß doch jeder.«
»Glauben Sie, Seto wird so kooperativ sein wie die Hongkonger Chinesen?«
»Ehrlich gesagt, nein. Er glaubt, er sei hier in Sicherheit. Deshalb sollte ich eigentlich gleich zu Plan B übergehen.«
»Kein langes Drumherumgerede mehr?«
»Nein.«
»Was haben Sie also vor?«
»Sagen Sie mir zuerst, wie Sie Ng ausschalten?«
»Gemäß unserem Gesetz für nationale Sicherheit können wir jeden, den wir staatsfeindlicher Aktivitäten verdächtigen, bis zu einer Woche festhalten, ohne Anklage zu erheben oder ihm einen Anwalt zur Verfügung zu stellen. Er darf noch nicht mal telefonieren. Dieses Gesetz werden wir nutzen, um Ng auf Eis zu legen, solange Sie wollen. Und jetzt erzählen Sie mir von Seto.«
»Anscheinend geht er jede Nacht ins Eckie’s. Ich werde ihn dort zur Rede stellen. Er ist ein dürres, kleines Stück Scheiße – Sie sollten ihm problemlos Handschellen anlegen und ihn aus dem Club befördern können. Dann nehmen wir ihn mit in sein Haus. Wenn die Frau auch im Club ist, muss sie ebenfalls mitkommen. Wenn nicht, kümmern wir uns im Haus um sie.«
Er schwieg und parkte den Truck vor einem Laden namens Donald’s Doughnut Shop. Sie schaute sich um; das Viertel war sogar noch heruntergekommener als die Innenstadt von Georgetown.
»Da drüben wohne ich«, sagte Patrick und deutete auf einen kleinen, roten Bungalow am Ende der Straße. »Das ist das Haus meiner Mutter.«
Sie stiegen aus, betraten den Laden und setzten sich ganz hinten in eine Nische. Es gab zwar keinen Instantkaffee, aber sie beklagte sich nicht. Ihr Doughnut troff vor Fett. Sie aßen schweigend.
»Seto gehört ein kleiner Teil des Eckie’s«, sagte Patrick zwischen zwei Bissen. »So haben unsere Leute ihn auch kennengelernt. Das Eckie’s ist nicht ganz legal, das heißt, Clubs sind allgemein nicht ganz legal, und wenn man einen betreiben will, muss man mit den richtigen Leuten ins Geschäft kommen.«
»Gibt es Rausschmeißer in dem Club, oder würden Setos Partner eingreifen?«
»Sobald sie wissen, dass wir dahinter stecken, halten sich alle raus. Nichts hören, nichts sehen, kein gar nichts.«
»Also hoffen wir, er geht überhaupt hin.«
»Falls wir nicht im Spiel wären, wie würden Sie – ich meine, was tun Sie, wenn jemand nicht kooperiert?«
»Es gibt immer Möglichkeiten«, sagte sie. »Das Wichtigste ist, mir vorher genau zu überlegen, was funktioniert. Glaube ich, mit dem direkten Ansatz Erfolg zu haben, versuche ich es damit. Wenn nicht, gehe ich diskreter, weniger auffällig vor. Agiere ich in einem Fall wie diesem allein, würde ich zum Beispiel Chloralhydrat benutzen, um meine Position zu stärken.«
Er hob eine Augenbraue. »Mann, davon habe ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört.«
»Ich weiß, es ist ein bisschen altmodisch, aber sehr effektiv. Wenn jemand geknebelt, mit verbundenen Augen und an Händen und Füßen gefesselt aufwacht, ist er gleich viel kooperativer. Es bringt einen Hauch von Ungewissheit und Dramatik ins Spiel. Dank Ihrer Hilfe ist das nicht nötig, trotzdem werde ich ihm Mund und Augen verbinden, bis wir im Haus sind.«
»Kein Problem«, sagte er.
»Woher kommen Sie eigentlich?«, fragte sie plötzlich. »Sie haben denselben Akzent wie Captain Robbins. Ich kann ihn nicht einordnen, aber es ist kein einheimischer.«
»Barbados – wir sind beide Barbadier. Meine Großmutter war sein Kindermädchen, kaum zu glauben, was? Vor mehr als dreißig Jahren ist er hergekommen und hat sich einen Namen und sein Vermögen gemacht. Ich war ein schwieriger Teenager, und Gran hat den Captain angerufen und ihn gebeten, sich meiner anzunehmen. So bin ich hergekommen, zusammen mit meiner Mutter und meiner Schwester. Es ist zwar nicht Barbados, aber es geht uns hier ganz gut.«
»Captain Robbins ist ein beeindruckender Mann«, sagte sie.
»Der Captain regiert dieses armselige Möchtegern-Land«, sagte er. »Er
Weitere Kostenlose Bücher