Die Wedding-Planerin
verfallen. Seitdem ich aus dem Urlaub zurück bin, meidet sie das Thema Hochzeit
und weicht meinen Fragen aus. Ich kenne das schon: Immer wenn es ernst wird, bekommt sie kalte Füße und versucht, über Verdrängung
den unangenehmen Teil zu bewältigen. Alle Aufmerksamkeit, die in ihre Richtung zielt, ist ihr peinlich. Das ist als angehende
Braut allerdings so eine Sache, denn da kommt man um die Aufmerksamkeit nicht herum. Um sie langsam daran zu gewöhnen, habe
ich eine Art Therapie entwickelt: Fortwährende Konfrontation mit dem Thema soll die Hemmschwelle abbauen und die Vorfreude
steigern. So erhält sie dieser Tage ständig Mails von mir – mal sende ich ihr ein Bild von einem tollen Kleid, dann einen
Link in ein Hochzeitsforum oder Dekorationsvorschläge für die Tische.
Ein zweites No-go-Thema in Lenas Leben ist Shopping. Kleidung einkaufen müssen, weil man sie zu einem bestimmten Anlass benötigt,
ist ihr ein Graus. Und ich kann das gut verstehen: Auf der Suche nach bestimmten Kleidungsstücken bin ich noch nie erfolgreich
gewesen. Alles, was mir gefällt, ist nicht in meiner Größe vorhanden oder nicht in der gewünschten Farbe lieferbar. Die
besten Käufe tätige ich, wenn ich nicht auf der Suche nach |63| etwas bin, sondern einfach drüber stolpere (es versteht sich von selbst, dass das immer mit dem Ende des Monats und einem
ziemlich abgeräumten Konto einhergeht). Entsprechend graut es Lena davor, in den kommenden Monaten unzählige Stunden in Läden
zu verbringen, Dinge anzuprobieren und zu entscheiden, ob die Farbe nun gut oder schlecht ist. Hinzu kommt, dass sie sich
noch nicht wirklich in einem Kleid sieht, gleichzeitig aber nicht der Typ ist, der dann einfach zu etwas wirklich Ungewöhnlichem
greifen würde. Und natürlich will sie die schönste Frau des Abends sein. Wir halten fest: Einmal alles bitte und das zum Mitnehmen!
Wird gemacht, Frau Braut, stets zu Ihren Diensten.
Teil eins der Konfrontationstherapie wird daher in einigen Tagen der Besuch von Brautmodengeschäften sein. Ich bin total aufgeregt,
denn das richtige Geschäft zu finden ist eine komplexe Angelegenheit. Vor drei Jahren habe ich die Brautmodenszene und ihre
Rituale kennengelernt: Mit Termin oder ohne? Einfach eintreten oder vorher klingeln? Samstags bis zwei oder bis vier? Stylisch
oder pfiffig? Vier Monate Lieferzeit oder geht’s auch in sechs Wochen? Bulldoggen oder freundliche Mama-Frauen als Verkäuferinnen?
Und die letzte ist auch die entscheidende Frage – denn ohne Verkäuferin ist man verloren zwischen Schleiern und Korsagen.
Diese Erkenntnis habe ich vor zwei Jahren gewonnen, als ich mit Eva ein Kleid gesucht habe. Ihre Traumfigur passte eigentlich
in jede Robe. Allerdings war sie gerade Mutter geworden und stillte noch, sodass die Proportionen der Kleider nicht immer
günstig waren. Verkäuferin 1 drückte das so aus: «Na ja, bis zum Termin können wir ja wohl noch ein bisschen trainieren und
mal ein bisschen weniger essen.» Das saß. Größere Katastrophen hat dann Verkäuferin 2 sehr gelassen abgewendet: «Machen Sie
sich mal keine Sorgen, Kindchen, das kriegen wir hin. Zwei Zentimeter hier und drei da, und so hübsch, wie Sie sind,
wird das alles kein Problem.» Ich hoffe sehr, dass wir am Samstag auf Typ 2 treffen, denn Lena |64| ist der festen Überzeugung, dass ihre Oberarme verboten und auf gar keinen Fall gezeigt gehören.
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Samstag, 16. November
Stimmung: verloren
Sound: schreiende Kinder in den Geschäften
Thema des Tages: Die komplette Negierung meiner Person
Lena und ich waren heute auf Brautkleidsuche. Zwei Läden, sechs Stunden und gefühlte 70 Kleider haben wir gebraucht, um folgende Erkenntnisse zu erlangen: Oberarme und die aktuelle Brautmode stehen in einem ungünstigen
Verhältnis zueinander, Altrosé ist überraschenderweise eine sehr schöne Farbe für Lena, und Verkäuferinnen sind immer noch
das A & O für eine Braut.
Der erste Laden war völlig in Ordnung, die Damen freundlich und bemüht. Allerdings entsprach das Sortiment nicht Lenas Geschmack:
«Pfiffig – das waren echt pfiffige Kleider für pfiffige Bräute. Ich möchte aber ein Kleid, das … rockt», stellte Lena auf dem Rückweg fest. Wir hatten vor allem Modelle präsentiert bekommen, die es unabhängig von den
Kollektionen in Paris, Mailand und New York immer gibt und die ich eher auf dem Land als in der Stadt vermutet hätte.
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