Die Wedding-Planerin
Freundin an, und wir waren uns ohne Worte einig, dass wir den Laden dringend
verlassen mussten. Lächelnd, aber mit deutlich erhobener Augenbraue scheuchte ich die Verkäuferin aus der Kabine, half Lena
aus dem Oberteil und machte sie flüsternd auf die Nachbarbraut aufmerksam. Ihr Blick nach draußen brachte das Entsetzen in
die Kabine: «Raus hier!», flüsterte sie nur knapp, während sie sich in ihre Klamotten quälte.
«Danke, ich muss noch eine Nacht drüber schlafen», wimmelte Lena die Verkäuferin ab, die vor der Kabine auf uns wartete,
und wir verließen den Laden. Auf dem Weg in das nächste Geschäft versuchte ich, ihr Mut zu machen, erzählte, dass es immer
dauert, bis man das Passende findet, und dass man erst mal ein Gefühl für die Kleider bekommen muss. Was man halt so erzählt,
wenn man den anderen bei der Stange halten will. Bei Lena wirkte es. Sie war zwar nicht euphorisch, doch wollte sie unsere
Besichtigungstour auch nicht auf der Stelle abbrechen. «Da muss ich jetzt durch», verkündete sie. Genau, Lena, so will
ich dich sehen, dachte ich erleichtert.
Im zweiten Laden – sehr groß, sehr schick, sehr professionell, mitten in der Hamburger City – lernten wir nach einer Stunde
Warten (ohne Sekt, was ist aus dieser schönen Tradition geworden?) Chantalle kennen. Chantalle war für zweieinhalb Stunden
unser Tor zur Brautmodenwelt. Klein, gut gelaunt und energiegeladen nahm sie uns Mäntel und Schals ab, verfrachtete uns
auf eine riesige Plüschbank, um die Details zu besprechen, und sparte nicht mit wohlmeinenden Tipps. Auf die Frage nach
der Kleidergröße ließ Lena fallen, dass sie gern noch das ein oder andere Kilo abnehmen möchte bis zum großen Tag. «Abnehmen
ist dieses Jahr nicht, meine Liebe, dann hängt die Haut so hässlich runter», erläuterte Chantalle. Lena guckte geschockt
– im vergangenen |68| Jahr haben wir beide mehr als 15 Kilo verloren, und hängen tut ganz sicher nichts.
Um das Thema zu wechseln, begann ich, die No-Gos aufzuzählen: zu viel Glitzer, Perlen & Co. Es soll nicht reinweiß
sein und kein glänzender Satin, bitte. Zugegeben: Es ist für eine Verkäuferin nicht leicht, aus diesen Dingen abzuleiten,
was die Kundin denn nun wünscht. Zumal das menschliche Gehirn zwar die Beschreibungen verarbeitet, das Wörtchen «nicht» allerdings
kaum verwerten kann (was übrigens wissenschaftlich erwiesen ist). Aber bisher dachte ich, dass genau das die Profession dieser
Damen ausmacht.
Chantalle suchte uns zehn Kleider raus und präsentierte diese auf dem Bügel. Prima, hier waren alle Kriterien des absoluten
«Geht-gar-nicht»-Kleides erfüllt: Strass vom Hals bis zu den Knöcheln, extra weite Röcke mit Reifen drunter, reinweißer
Satin. Wir dachten an die Weisheit unserer Mütter aus Teenagertagen: «Probier es an, auf dem Bügel sieht so etwas immer ganz
anders aus.» Tapfer quälte sich Lena also von einer Robe in die andere. Als ich beim ersten Kleid den Fotoapparat zückte,
um ein Bild zu machen, fuhr Chantalle ihre Krallen aus: «Sie dürfen gern fotografieren, allerdings erlauben wir nur zwei
Bilder pro Kleid, und das auch nur ohne Blitz und mit mindestens zwei Metern Abstand.» Oha, die haben offenbar Angst vor
Produktspionage – das ist ja fast so schlimm wie in Hongkong, wo jeder Brautmodenladen einen Security-Menschen dafür angestellt
hat, draußen fotografierende Touristen zu verscheuchen. «Und warten Sie noch einen Moment, ich werde die Braut erst noch
dekorieren», fuhr die eifrige Verkäuferin fort und sprintete los. Als sie zurückkehrte, war sie beladen mit Ketten, Diademen,
Schleiern und Handschuhen. Lenas Blick wurde panisch, es blieb aber keine Zeit zum Protest, da sie bereits mit all diesen
Dingen behängt wurde. Ein fertig dekorierter Weihnachtsbaum hätte nackt und glanzlos gegen meine Freundin ausgesehen. Der
absolute Höhepunkt: die halben Handschuhe. «Die |69| sehen aus wie Armwürste», platzte es aus der sonst so diplomatischen Lena heraus.
In der Tat waren diese halben, gerafften Handschuhe, die am Mittelfinger mit einer Schlaufe befestigt werden, nicht besonders
vorteilhaft. Ich knipste meine zwei Bilder und schickte Lena in der Hoffnung auf schönere Kleider in die Kabine zurück. Diese
wurde aber auch bei den kommenden zehn Modellen enttäuscht: Die Verkäuferin hatte uns einfach nicht verstanden. Einziges Highlight
war eine altroséfarbene Korsage, die Lena anzog
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