Die Wedding-Planerin
– die Farbe brachte ihre Haut und Augen zum Leuchten und gefiel uns beiden
hervorragend, der Schnitt allerdings war so unterirdisch, dass mich das Ensemble an ein zu groß geratenes Baby erinnerte.
«Ich komme in Jeans und Turnschuhen an, sie sieht, dass ich keinen Schmuck trage, und ich erzähle ihr noch, dass ich es
eher schlicht mag, und was tut sie? Sie negiert meine Person vollkommen!», fasste Lena den Besuch beim anschließenden Kaffee
zusammen. Und bemerkte traurig: «Für mich gibt es einfach kein Brautkleid.» «Doch, Lena, wir finden eins! Beim nächsten
Mal», erkläre ich ihr und füge in Gedanken hinzu: Das hoffe ich zumindest. Aber das sage ich nicht laut – zur Mission einer
Trauzeugin gehört ewige und unermüdliche Zuversicht.
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|70| Freitag, 22. November
Stimmung: bedrängt
Sound: «Clap Your Hands!» von Clap Your Hands Say Yeah
Thema des Tages: Hochzeiten, wohin man sieht
Bei einer Wedding-Planerin ist die subjektive Wahrnehmung ähnlich verschoben wie bei Schwangeren: Während werdende Mütter
nur noch dicke Bäuche, Kinder und Babyklamotten sehen, begegnen mir ständig Hochzeitsmessen, Bräute und Hochzeitsshows.
Immer. Egal wohin ich gehe. Nicht nur in Hongkong, sondern jeden Tag in der U-Bahn , im Fernsehen und beim Bummel durch die Stadt.
Gut, die Hochzeitssaison wird jedes Jahr früher eingeläutet. Gab es bis vor ein paar Jahren eine Ballung von Werbung und
Messen zu Beginn des Frühjahrs, planen die Veranstalter nun zumeist ganzjährig. Zum einen heiraten die Menschen auch das
ganze Jahr, wobei es natürlich ein Hoch in den Sommermonaten gibt, zum anderen aber lässt sich die Hochzeitsindustrie kein
Geschäft durch die Lappen gehen. Der Markt ist da, das Geld sitzt locker, warum also nicht angreifen?
Seit einigen Wochen hängt Hamburg voller Plakate, die die beste, schönste oder ungewöhnlichste Hochzeitsmesse ankündigen.
Messen kann man sich sparen, habe ich gelernt – meistens ist das örtliche Vereinsheim oder die kleinste Messehalle gemietet.
Zu den Ausstellern gehören eine Handvoll Brautkleid-, Dessous- und Schuhläden der Region. Ausgestellt sind einige wenige
Stücke der aktuellen Kollektionen – der Informationswert ist gleich null, und die Beratung läuft darauf hinaus, doch im
Geschäft vorbeizuschauen, |71| denn hier könne man nicht das gesamte Sortiment zeigen. Neben den Einzelhändlern aus dem Bekleidungsbereich präsentiert sich
dann noch ein «Trauringatelier», und «Rudis rollende Disco» rundet das Bild des Grauens ab.
Meine Freundin Anna gehörte seinerzeit zu der Art Braut, die alles rund um ihre Hochzeit mitnehmen musste. Es gab kein Geschäft,
in dem sie nicht war, keine Veranstaltung, die sie nicht wahrgenommen hätte. Sie war ein Jahr lang hauptberuflich Braut.
Nachdem wir ihr verboten hatten, ausschließlich über dieses eine Thema zu sprechen, änderte sie ihre Taktik. Sie beraumte
Treffen an, deren einziges Thema die Hochzeit war. Nicht immer konnten Lena, Maja, Henrike und ich uns dem entziehen –
mitgehangen, mitgefangen. Und so fanden wir uns eines trüben Samstags in den Hamburger Messehallen ein, zahlten übertriebene
sieben Euro Eintritt und machten die ersten Schritte auf der als «außergewöhnlich umfangreich» beworbenen Hochzeitsmesse.
Annas Ziel war es, hier einen Gesamtüberblick über das Hamburger Angebot zu erhalten, eventuell ein Kleid zu entdecken,
einen DJ zu buchen, einen günstigen Caterer zu finden und Inspiration für die Dekoration des Raumes zu erhalten. Wir fanden
diese Ziele sehr sportlich und versuchten, ihre Erwartungen bereits im Vorfeld zu dämpfen und ihr klarzumachen, dass das
vielleicht ein bisschen viel auf einmal für einen Samstagnachmittag sei. Typisch Anna ließ sie sich aber nicht weiter beirren
und stiefelte fröhlich auf den ersten der insgesamt nicht mehr als 15 Stände zu.
Brautmoden: tolle Brautmoden, außergewöhnlich schöne Kleider aus außergewöhnlich schönen Materialien. Frisch aus Mailand
eingeflogen, Dinge, die kein Laden dieser Stadt so führen würde. Ein unauffälliger Blick auf das Preisschild zeigte mir,
dass wir eigentlich gleich den Stand wechseln konnten – 4500 Euro für ein Kleid sprengte das eher kleine Budget der Braut auf alle Fälle. Neben dem knapp bemessenen Geld gab es bei Anna
eine weitere Herausforderung zu bewältigen – sie gehört nicht zu den Frauen, |72| die in eine
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