Die Wedding-Planerin
Dabei
handelte es sich um zweifarbige und -teilige Varianten. Die Verkäuferin erklärte uns zunächst, dass sie mit diesem «Baukastensystem» enorm gute Erfahrungen gemacht habe:
«Das ist für viele Damen sehr praktisch, da sie oben eine andere Größe tragen als unten. Sie suchen sich einfach |65| ein Oberteil aus, und wir kombinieren einen Rock Ihrer Wahl dazu.»
Das klingt erst mal logisch und praktisch. Die Ausführung hingegen ließ dann doch zu wünschen übrig: Es gab vier verschieden
geschnittene Oberteile – von romantisch (eine Art vorn geschnürte Korsage, Rüschen an den Ärmeln und stark an die Kostüme
der Schlagersängerin Nicki in den Achtzigern erinnernd) über verspielt (auch Korsage, aber hinten geschnürt, mit Perlen
und gestickten Blumen verziert) bis hin zu schlicht (Korsage einfach, ohne Schnickschnack, aber so langweilig, dass mir
die Füße einschliefen). All diese Schnitte konnten wir in vier Farbvarianten bekommen: Weiß, Creme, Cappuccino und Rot.
Wer die Farbe Cappuccino erfunden hat, muss farbenblind gewesen sein. Wie sieht Cappuccino aus? Richtig, ein Espresso mit
Milchhaube, verrührt man ihn, bekommt man eine irgendwie hellbraune Farbe. Wer jetzt glaubt, dass Brautkleider mit dieser
Farbbezeichnung hellbraun seien, irrt. Cappuccino ist offenbar eine Farbnuance, die dem Creme- oder Beigefarbenen zugeordnet
wird. Auf Lenas blasser Haut sah der Ton verboten nackt aus. Nichts vom angesagten Nude-Look, eher ein bisschen wie magenkrank
kurz vorm Übergeben.
Rot fiel auch raus, denn die Braut in der Nebenkabine zeigte uns, wie bekloppt eine blasse Frau in der Rot-Weiß-Kombination
aussieht, zumal wenn das Material glänzendes Satin ist. Die Heiratsanwärterin war nicht eben mit Modelmaßen gesegnet (aber
welche normale Frau ist das schon), im Gegenteil, sie plagte sich eher mit 30 bis 40 Kilo Übergewicht auf ihren kleinen 1 Meter 60 herum. Alles kein Drama, wenn man denn weiß, wie man sich verpacken soll. Und ich kann da mitreden – zwar bin ich
1 Meter 80 groß, doch habe ich lange Jahre 30 Kilo zu viel mit mir rumgetragen. Klar ist es unter derartigen Voraussetzungen nicht einfach, ein schönes und passendes Outfit
zu finden. Von Brautkleidern, die im Geschäft immer nur in 38 und 40 hängen, mal abgesehen, aber |66| man muss ja nicht nur die Nachteile des eigenen Körpers herausarbeiten.
Jedenfalls sprang diese Nachbarbraut behände auf den Plastikhocker in der Mitte des Raumes, um sich ihren Freundinnen zu
präsentieren. Um deren Urteilsvermögen war es eher schlecht bestellt, sah man sich die Klamotten der Damen an: Hüfthosen,
drei Nummern zu klein mit rüberschwabbelndem Speck, und zu kurze T-Shirts . Die Braut hingegen war mittlerweile auf dem Hocker zum Stillstand gekommen und führte ihre Robe vor: weißer, glänzender
Satinrock in weit ausladender A-Form , bestickt mit etwa sieben Millionen Perlen, verziert mit allerlei Blumen – das alles in Rot appliziert. Das Oberteil,
Marke «romantisch», in Rot schnürte ihr zwar die Luft ab und brachte die speckigen Ärmchen unvorteilhaft zur Geltung, ließ
die Freundinnen aber vor Bewunderung quietschen. Die zugehörige Verkäuferin war selig und brachte eilends die bestellten Accessoires:
Ringkissen in Rot, halbe Handschuhe in Weiß (muss ich die Perlen und Blümchen erwähnen?), Schleier, Kette, Haarnadeln,
Diadem. Behängt wie ein Weihnachtsbaum und ebenso rund drehte sich das verzückte Mädchen auf dem Hocker. Ich schaute amüsiert
zu, wie die Verkäuferin das Gesamtoutfit als «äußerst vorteilhaft» und «wirklich sehr schlankmachend» pries.
In der Zwischenzeit war Lena bei den Röcken angekommen: A-förmig in Weit, Mittel und Eng, jeweils in vier Farben und mit
entsprechenden Sonderausstattungen (Perlen, Pailletten, Blumen und anderer Zierrat) erhältlich, gern auch doppellagig,
mit oder ohne Reifrock darunter. Lena guckte genervt, und ich konnte meine linke Augenbraue bereits seit geraumer Zeit nicht
mehr am Zucken hindern. Die Verkäuferin erklärte uns die Zusammenhänge, während Lena halbnackt und schwitzend, eingezwängt
in eine zu kleine Korsage, im grellen Neonlicht der Kabine versuchte, ihre Würde zu behalten.
Nachdem mir beim Betrachten der Nachbarbraut klar geworden |67| war, dass wir in diesem Laden sicherlich nett, aber nicht typgerecht beraten werden würden, musste ich Lena aus dieser
misslichen Lage befreien. Ich sah meine beste
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