Die Wedding-Planerin
und somit das Gesicht zu wahren.
|60| Fasziniert höre ich den Schilderungen der beiden zu. Mich wundert die Masse an Brautmodenläden nicht mehr. Wenn jede Braut
bis zu fünf Kleider benötigt, dann braucht es eine große Auswahl. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was für einen Stress
allein das Aussuchen von fünf Kleidern bereitet, geschweige denn, das ständige Umziehen. Peter und Kate lachen über meine
Bedenken und erklären, dass das eben hier zu einer traditionellen Hochzeit dazugehöre und jede Braut, die weniger macht,
als arm gelte. Mittlerweile ist es in dem Restaurant noch lauter geworden – Fetzen von Tischfeuerwerken fliegen uns um die
Ohren, die Hochzeitsgesellschaft schreit sich gegenseitig an und lacht sich dabei halb tot. Irritiert versuche ich, dem
Gespräch weiter folgen zu können. Kate erläutert uns, dass eine Hochzeit in China vor allem Spaß machen und laut sein soll.
Zu diesem Zweck gibt es eigentlich immer ein Feuerwerk, das wie hier auch mal ein Tischfeuerwerk sein darf. Essen und Trinken
gibt es im Überfluss, ebenso wie Hochzeitsspiele und indiskrete Fragen zum Liebesleben des Paares und traditionelle Spiele.
Ähnlich wie in Amerika führt der Vater seine Tochter dem Bräutigam zu, nicht selten muss dieser zuvor auch eine Art Parcours
bewältigen, bevor er seine, von der Familie versteckte Braut sehen darf. Schlimme Spiele zur Hochzeit scheinen auf der ganzen
Welt zu Hause zu sein.
Kate und Peter müssen zur Arbeit. Wir bedanken uns für die vielen Informationen, zahlen und verlassen das Restaurant mit
einem letzten Blick auf die Feiernden: Richtig, jetzt trägt die Braut bereits ein anderes Kleid – aber wann hat sie sich
umgezogen und vor allem wo?
Das muss ich später klären, denn jetzt ist erst mal Urlaub angesagt. Und das bedeutet: keine Hochzeitsthemen mehr, auch
wenn wir jeden Tag auf dem Weg vom und ins Hotel an all den Läden vorbeigehen müssen.
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|61| Donnerstag, 14. November
Stimmung: suchend
Sound: Stille mit Regenrauschen
Thema des Tages: Der Ernst des Lebens
Zurück aus dem verrückten und angenehm warmen Hongkong hat mich der Alltag bereits wieder voll in seinen Fängen. Im Job gilt
es, einige dringende Projekte noch vor Jahresende abzuschließen, was zu Überstunden und wenig Privatleben führt. Das allerdings
ist auch ganz gut so, denn ich leide nach der letzten Hochzeit im Jahr immer unter leichten Depressionen und drohe in ein
emotionales Loch zu fallen. So sehr ich mir im Frühjahr und Sommer auch immer mal wieder ein hochzeitsfreies Wochenende,
weniger Trubel und mehr selbstbestimmte Zeit wünsche, so sehr fühle ich mich im Herbst einsam und verlassen und blicke trüb
verstimmt auf die vergangene Lebensfreude zurück. Das ist schizophren, ich weiß. Und typisch Frau, weil die dem Klischee
entsprechend immer das haben wollen, was es gerade nicht gibt – einen Tomatensalat ohne Tomaten zum Beispiel.
Mir fehlen einfach die emotionale Intensität und der Trubel. Ich muss einsehen, dass ich nicht für ein Einsiedlerdasein,
sondern für Freunde und Familie gemacht bin. Vor allem, weil man darüber so herrlich meckern kann. In diesem Herbst allerdings
ist alles etwas anders, da Lenas Hochzeit für den Mai geplant ist und wir so langsam mal mit den wichtigen Punkten (Brautkleid)
und elementaren Entscheidungen (Lokal) weiterkommen müssen. Entsprechend nutze ich meine wenigen freien Stunden nicht, um
meinen Körper endlich mal wieder ins Fitnessstudio zu bewegen (Hochzeiten und Urlaube hinterlassen deutliche Spuren auf meinen |62| Hüften, und ich brauche den Winter, um diese wieder loszuwerden). Im Gegenteil, ich verbringe sehr viel Zeit am Rechner,
um mich durch die neue Brautmodenkollektion zu klicken. Meist gucke ich mir zuerst an, was die Designer ein halbes Jahr zuvor
über die Laufstege geschickt haben. Hier lassen sich Trends gut beobachten, und oft weiß ich dann auch bereits sehr genau,
was ich in den Läden vorfinden werde. Präsentieren die Designer weiße Kleider, so wird es eher schwierig sein, etwas Cremefarbenes
zu finden. Setzen sie auf lange, verspielte Roben, muss die Kundin nach schlichten Ensembles lange suchen. Zwar gibt es
immer alles, doch garantiert nicht zu den Konditionen, die die aktuelle Braut gerade aufgestellt hat, und das Richtige
zu finden ist auch in einer Stadt wie Hamburg nicht so einfach.
Lena ist derweil in eine Art Angststarre
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