Die Wedding-Planerin
und stellten fest, dass wir ein ähnliches Tempo und einen ähnlichen Anspruch hatten. Gemeinsam beschlossen
wir, die anderen einfach machen zu lassen und zu hoffen, dass alles gutgehen würde. In den folgenden Wochen legten wir eine
telefonische Pipeline zwischen Hamburg und Münster, wo Andrea lebte, klagten uns gegenseitig unser Leid, wenn eine Planung
mal wieder nicht geklappt hatte, einigten uns mittels Internet aufs Dekorationskonzept und planten die große Überraschung:
eine von uns gebackene Hochzeitstorte.
Einen Tag vor der Feier, die nicht in Hamburg, sondern in der Nähe unseres gemeinsamen Heimatortes stattfinden sollte,
fanden wir uns in der Küche meiner Eltern ein. Draußen schien die heiße Augustsonne und verbreitete 30 Grad im Schatten – diesen Urlaubstag aber konnten wir nicht faul genießen, sondern mussten backen. Drinnen standen wir barfüßig
und bis zu den Ellbogen versunken zwischen Kuchenteig, Marzipan, Mehl und kandierten Rosen: Wir versuchten uns an unserer
ersten Hochzeitstorte. Dreistöckig sollte sie werden, gigantisch gut aussehen und auch noch lecker schmecken. Das Wetter
machte uns zu schaffen, die Wärme verhinderte, dass die einzelnen Stockwerke |101| so kalt wurden, dass sie einander tragen würden. Alle Tricks, die meine backerfahrene Mutter uns gab, halfen nichts. So
kühlten wir die Rührteig-Schokolade-Buttercreme- und Rührteig-Himbeermousse-Buttercreme-Giganten stundenlang im kalten Keller
meines Elternhauses, verstärkten den Effekt durch riesige Kühlakkus unter den Tortenplatten und nutzten die Wartezeit, um
Rosen in Eiweiß zu schwenken und anschließend durch Zucker zu ziehen, schnitten Marzipan-Platten in Form und rührten literweise
Zuckerguss an. Nach neun Stunden setzten wir zusammen, was wir geschaffen hatten, und bewunderten die drei Stockwerke in
reinem Weiß. Der Zuckerguss hielt nicht so recht am Marzipan, eine Ecke der mittleren Ebene war zu warm geworden, und unser
Machwerk drohte zum schiefen Turm von Pisa zu werden. Erschöpft beschlossen wir, dass jetzt nur noch der Kühlschrank helfen
könne, und trugen die fünfzehn Kilo Torte zurück in die Kühlung.
Als das Hochzeitstorten-Ungetüm endlich verarztet war, war es Abend, und uns blieb gerade noch genug Zeit für eine letzte
Anprobe unserer Kleider, die meine Mutter genäht hatte. Wir hatten zusammen mit Susanne besprochen, dass es uns nicht möglich
sein würde, im Partnerlook aufzutreten. Brautführerinnen, die gleich angezogen sein sollten – klassischerweise in Mint oder
Rosé –, waren weder meine noch Andreas Sache. Da wir noch studierten und kein Geld hatten, uns etwas richtig Schickes zu kaufen,
hatte meine Mutter sich bereit erklärt, uns einzukleiden.
Mama nähte die letzten Stiche, während Andrea und ich uns von Marzipanresten und Mehlstaub befreiten. Es war bereits spät,
und am nächsten Morgen würde der Wecker früh klingeln. An diesem Tag machte ich auch das erste Mal die Erfahrung, dass die
Trauzeugin von Natur aus nie besser aussehen wird als die Braut: Ich habe immer bis spät in den Abend oder die Nacht Vorbereitungen
getroffen, konnte dann vor lauter Aufregung oder Gedanken kaum schlafen und musst früh wieder raus. Dicke Beine, dunkle |102| Augenringe und Kopfschmerzen begrüßten den neuen Morgen mit mir. Und erst nach zwei Kaffee, einer Augenmaske und kaltwarmen
Wechselduschen fühlte ich mich in der Lage, den Tag zu beginnen und zu überstehen. Schönheit sieht definitiv anders aus.
Zumal für den letzten Schliff wie Maniküre oder ähnlichem Schnickschnack meist keine Zeit mehr blieb.
Natürlich klappte auf der Feier von Ralf und Susanne alles, was klappen musste. Auch die anderen hatten ihre Hausaufgaben
gemacht – nur eben in einem anderen Tempo als wir und auf eine andere Art und Weise. Wir feierten eine großartige Hochzeit
mit einer mittlerweile gut durchgekühlten Torte, die komplett aufgegessen wurde und riesiges Lob erntete. Unsere Überraschungen
klappten und kamen beim Paar gut an. Einzig der Trompetenvortrag des Patenkindes drohte unsere Zeitplanung zu torpedieren.
Ein schüchterner Zehnjähriger, der von seinen Eltern gezwungen worden war, auf der Hochzeit etwas auf der Trompete vorzuspielen
– ohne weitere Begleitung und wirklich grauenvoll schief. Nach dem ersten Stück stimmte ich frenetischen Applaus an und hoffte,
dass er kein kindliches Trauma davon tragen würde, als seine Mutter,
Weitere Kostenlose Bücher