Die Wedding-Planerin
motiviert durch meine fast schon stehenden Ovationen,
zu ihm ging und ihm flüsterte, er solle doch noch was spielen. Der zweite Vortrag dauerte über 20 Minuten, die Gästeschar stob immer weiter auseinander, und schließlich drohte die Feier zu platzen, weil sich niemand traute,
dem Kind das Instrument zu entreißen. Zum Glück bekam die Braut mit, dass ihre Trauzeugen unruhig wurden, und schritt ein
– sie ging zu ihrem Patenkind, lobte es, schenkte ihm Schokolade und – zack – war das Leiden vorbei.
Die sonstigen Pannen hielten sich im Rahmen dessen, womit man auf einer normalen Hochzeit immer rechnen muss: Mein Oberteil
rutschte und nervte mich, sodass ich nachts um eins das Ersatzhemd des Bräutigams anzog. Das Gas reichte nicht für alle Luftballons,
und plötzlich wollten die Mütter noch eine Aufführung zum Besten geben, die unsere Planungen zu sprengen |103| drohte. Außerdem riss das Brautkleid am Saum, da die Befestigung der Schleppe nicht hielt. Leider war ich damals noch nicht
so klug, ein Notfall-Case dabeizuhaben. Kein Gast hatte Nadel und Faden dabei, es war Samstagabend, 18 Uhr, in einer Kleinstadt, die letzten Geschäfte schlossen gerade. Ich schickte Nichte und Neffe der Braut los, uns Nähzeug
zu besorgen. Bis heute weiß ich nicht genau, wie sie das örtliche Kaufhaus überredet haben, fünf Minuten länger zu öffnen,
entscheidend war nur, dass sie es geschafft hatten, eine Stopfnadel und Faden zu besorgen. Es spielte auch keine Rolle,
dass eine Stopfnadel zu dick zum Nähen ist, ich eigentlich gar keine Nähte per Hand machen kann und das Garn viel zu weiß
war. Susannes Anweisung lautete nur: «Mach was, damit ich tanzen kann. Alles andere ist mir egal.» Ich machte: Nähte so dick
wie Operationsnarben, die Löcher im Kleid hinterließen, die später ein Kunststopfer reparieren musste. Aber die Schleppe
war da, wo sie sein sollte: aus dem Weg, und die Braut konnte tanzen.
Nach diesen kleinen Zwischenfällen feierten wir bis morgens um sechs, die Jungs waren schließlich so trunken vor Freude und
Bier, dass sie den neuen Morgen in Unterhosen auf der Straße sitzend begrüßten. Wir Mädels fielen derweil von unseren hohen
Schuhen direkt ins Bett und schliefen die vier verbleibenden Stunden bis zum gemeinsamen Frühstück.
Am Ende der Feier machte man uns das schönste aller Geschenke. Susannes Schwager nahm sie zur Seite und erklärte: «Ihr habt
die besten Freunde der Welt, es war eine großartige Feier!» Das größte Lob jedoch kam von einem strahlenden Brautpaar: «Es
war ein unvergesslicher Tag. Danke!»
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|104| Freitag, 20. Dezember
Stimmung: unter Leistungsdruck
Sound: «Finger weg von meiner Paranoia» von Element of Crime
Thema des Tages: Überraschungen
Niemand, den ich kenne, mag Überraschungen. Also keine echten, bei denen man im Zweifel auch negativ überrascht sein könnte,
was dann verborgen werden muss oder soll, weil man dem Überraschenden nicht zu nahe treten und ihn beleidigen möchte. Es
gibt viele Menschen, die kalkulierte Überraschungen mögen, solche, die sie entweder zu einem gewissen Grad selbst gesteuert
haben, sodass sie dann eher darüber überrascht sind, dass sie überrascht sind. Oder solche, die sie wirklich überraschen,
mit denen sie nicht gerechnet haben, die ihnen aber eine großartige Freude bereiten. Wenn man aber wirklich gar keine Überraschungen
mag, dann sollte man entweder gar nicht oder nur sehr, sehr heimlich heiraten. Alle anderen Brautpaare kommen um Überraschungen
nicht herum, denn selbst wenn man sich Spiele und Reden verbieten kann, ohne alle Gäste zu verprellen, wird es sich der
ein oder andere nicht nehmen lassen, sich etwas Besonderes auszudenken, um dem Paar eine Freude zu machen oder es ein wenig
auf den Arm zu nehmen.
Für mich gehören Überraschungen immer zur Kür, ohne Unvorhergesehenes ist es nur der halbe Spaß. Schon allein die Andeutungen,
in denen man sich Wochen vorher ergehen und das Paar damit auf die falsche Fährte führen konnte, waren immer ein großer Spaß
– und Schrecken für die Braut. Ich glaube, es war keine dabei, die mich nicht gern hin und wieder zum Mond geschossen hätte.
|105| Da ich nicht besonders kreativ veranlagt bin, habe ich mir selten alles von Anfang bis Ende selbst ausgedacht, ich habe
vielmehr gut kopiert. Getreu dem Motto meines Vaters «Man muss nicht alles wissen, sondern nur wissen, wo es
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