Die Wedding-Planerin
Susanne das erste Paar des Freundeskreises waren, das heiratete, herrschte eine besondere Aufregung, begleitet
von einem besonders hohen Anspruch an uns. Selbstredend war ich maßgeblich für die verursachte Arbeit verantwortlich. Mein
Ziel war es, eine so perfekte Hochzeit wie möglich zu gestalten. Susanne hatte verkündet, dass sie den Raum, den Termin,
Essen und die Getränke stellen würden – alles andere sei überflüssig. Immer wieder hakte ich nach:
Dekoration des Raums? Gibt es nicht.
Hochzeitstorte? Susanne mag keinen Kuchen, Ralf liebt ihn.
Spiele? Um Gottes willen, wir wollen feiern.
Geschenke? Geld.
Ich grübelte nach unseren Gesprächen darüber nach, wo die Grenze zwischen Engagement und unerwünschter Einmischung wohl liegen
konnte. Dass Susanne mit dem Gedanken spielte, statt in einem Kleid in einem weißen Hosenanzug zu heiraten, fand ich noch
ganz cool. Dass sie keine Torte wollte, tat mir für Ralf leid. Und dass sie keine Tischdekoration wünschte, fand ich einfach
zu schlicht. Mein Kopf arbeitete einige Tage und Nächte auf Hochtouren an einer Lösung des Problems, die ich dem Paar diplomatisch
übermitteln könnte. Dann machen wir es eben selbst, beschloss ich, und es wird ihnen gefallen, war ich fest von mir und
meinen Plänen überzeugt.
Über viele Monate hinweg mailte ich mir mit den anderen fünf Beteiligten die Finger wund. Bis einer von uns auf die Idee kam,
dass man sich treffen müsse. Sehr umständlich brachten wir sechs |99| verschiedene Städte und Terminkalender an einem schönen Samstag zusammen. Unsere Sitzung dauerte zehn Stunden – ohne Alkohol,
mit umso mehr Diskussionen. Was wollen wir? Was will das Paar? Wer vertritt uns den Gästen gegenüber? Alle sechs kannten das
Paar lange und gut, aber aus ganz verschiedenen Zusammenhängen: privat, Studium, Schule, Job. Und so hatte auch jeder
seine eigene Sicht auf die Dinge. Schließlich reichte es mir, und ich hebelte alle von mir ungewollten Vorschläge aus, indem
ich darauf verwies, dass ich beide bereits seit dem Kindergarten kannte und sehr sicher war, dass Susanne eine Vorführung,
bei der die Sportfreunde von Ralf am Ende halb nackt mit Bratpfannen zwischen den Beinen dastanden, alles andere als lustig
finden würde. Die anwesenden Männer hingegen fanden es total unverständlich, dass Andrea (die Braut, die so sehr auf
Frühstück bei Tiffany
steht und zwei Jahre später selbst heiraten sollte) und ich beschlossen hatten, dass es ohne Hochzeitstorte und liebevolle
Tischdeko keine anständige Feier werden würde. Unser kleines Team zerfiel zusehends zwischen den Diskussionen, und ich kam
mir vor wie zu Zeiten meines Abiturs, als man stundenlang über die Ausrichtung der Abi-Feier in einem eigens dafür gegründeten
Ausschuss diskutieren musste. Irgendwie spaßbefreit. Heute kann ich sagen: Mein Dickkopf wollte durch die Wand und ich nicht
einsehen, dass die anderen auch etwas Gutes machen könnten.
Am Ende des Tages hatten wir uns auf viele schöne Dinge geeinigt, und jeder von uns nahm eine lange Liste mit Punkten, die
es zu erledigen galt, mit nach Hause: Luftballons und Propangas besorgen, Gäste anmailen und um Vorbereitungen für ein Gästebuch
bitten, selbst einen Gästebucheintrag schreiben und eine Seite entsprechend gestalten, das Geschenk kaufen und dekorieren,
Hochzeitstorte backen, Dekoelemente recherchieren und zu einem stimmigen Konzept zusammenführen, Sekt, Gläser und Stehtische
besorgen, um nach dem Standesamt anstoßen zu können, und so weiter.
|100| Einigermaßen erschöpft fuhr ich nach Hause und begann am nächsten Tag, meinen Teil der Liste abzuarbeiten. Ich recherchierte
Dekoration und Rezepte, entwarf eine Internetseite und legte mir einen Plan zurecht, wie ich der Familie beibringen würde,
dass Spiele und Beiträge jeglicher Art nicht erwünscht waren. Eine Woche später rief ich die Ergebnisse der anderen per Mail
ab. Die Antworten ließen auf sich warten, und ich wurde nervös – wir hatten «nur» noch acht Wochen zur Vorbereitung, alle
Beteiligten fuhren in der Zeit noch einmal in den Urlaub, und mein Überblick drohte sich zu verabschieden. In Telefonaten
mit einzelnen Beteiligten versuchte ich, die Motivation zu steigern und Ergebnisse zu erzwingen – stattdessen bekam ich immer
öfter Ausreden und die Antwort «später» zu hören. Manch einer war gar nicht erreichbar. Immer häufiger sprachen Andrea und
ich miteinander
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