Die Wedding-Planerin
Gut, Letzteres wird nicht passieren, ich trinke auf solchen Feiern erst Alkohol, wenn alle
wichtigen Punkte abgehakt sind. Aber man weiß ja nie, was mich an dem Tag beeinflussen wird.
Ich hasse dieses Stadium der Vorbereitung, in dem ich gerade stecke: Gedanken fliegen unablässig vom Kopf auf eine Liste.
So richtig nach Anfang, Durchführung und Ziel fühlt es sich noch nicht an, weil alle eher mit weihnachtlichen Vorbereitungen
beschäftigt sind. Ah, Weihnachten ist ein gutes Stichwort: Wenn ich zu den Feiertagen in der elterlichen Heimat bin, werde
ich einige unserer alten Freunde sehen, die ganz sicher auch zur Hochzeit eingeladen werden. Da kann ich gleich mal vorfühlen,
wer mir noch unter die Arme greifen kann. Notiert in Tabelle: «To Do Weihnachten zu Hause».
Bevor ich jetzt noch mehr in Horrorgedanken versinke, suche ich lieber weiter nach meiner Kamera, um Lena endlich die Bilder
zu senden. Und Lenas Schwester, aber das muss meine Braut ja noch nicht wissen, denn das wird eine Überraschung.
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|108| Montag, 23. Dezember
Stimmung: aufgeräumt
Sound: «Driving home for Christmas» von Chris Rea
Thema des Tages: Aufgebot und Abfahrt
Es ist 14 Uhr, und ich warte. Auf Lena und Karl, mit denen zusammen ich heute gen Heimat fahren werde. Weihnachten feiern, viel essen
und schlafen, Freunde treffen, Geschenke bekommen und verteilen. Herrlich! Ich freue mich, dieses ereignisreiche Jahr in
Ruhe ausklingen zu lassen. Nach Weihnachten geht es weiter in den Skiurlaub. Wir haben mit zehn Freunden eine Hütte mitten
in einem Südtiroler Skigebiet gebucht und werden dort Silvester verbringen. Nun sitze ich auf gepackten Koffern, Bergen von
Geschenken und warte darauf, dass meine Freunde draußen vorfahren. Aus mir noch unbekannten Gründen verspäten sie sich. Eigentlich
wollten sie bereits vor einer halben Stunde hier sein, und auf den Handys erreiche ich sie nicht. Nun denn. Ich bin ja so
gut im Warten, nehmen wir es als Schulung in Sachen Geduld. Eine halbe Stunde später sind sie da. Ich schleppe mein Gepäck
runter und steige ins Auto. Lena ist gut drauf, Karl redet wie ein Wasserfall. Was ist denn mit denen los?
80 Kilometer später kenne ich die Geschichte ihrer Verspätung und ihrer guten Laune: Die beiden sind jetzt offiziell verlobt,
obwohl sie sich nie verlobt haben. Und das kommt so: Heute Morgen sind die beiden zum Standesamt gefahren. Auf meine konsternierte
Frage, ob Ämter einen Tag vor Weihnachten überhaupt arbeiten, bekomme ich eine etwas verdutzte Reaktion: Davon waren die
beiden einfach ausgegangen. Finde ich mutig, |109| hätte nicht damit gerechnet, dass deutsche Bürokraten an einem solchen Tag noch Dienstleistungen für den Bürger erbringen.
Sie mussten eine Stunde warten, da außer ihnen noch vier weitere Paare den freien Tag zum Bestellen ihres Aufgebots nutzen
wollten. Nachdem sie endlich dran waren, stellte sich raus, dass Lenas Personalausweis seit drei Tagen abgelaufen war. Ein
Drama. Aber dann begegnete den beiden das Weihnachtswunder in Form einer engagierten Standesbeamtin. Die rief nämlich einfach
die Kollegin aus dem zuständigen Bürgerbüro an und bat um einen unbürokratischen Weg: Ob sie den Ausweis schnell fertig machen
könnte, damit das Aufgebot bestellt werden könne? Konnte sie. Ungläubig eilte Lena vom Fotoautomaten ins Nachbarbüro und
zurück.
Eine weitere Stunde später hatte sie die Bestätigung, dass sie einen Ausweis beantragt hatte, mit der sie das Aufgebot bestellen
konnten. Auf die Frage nach ihrem Wunschtermin verzog die Standesbeamtin dann zwar nochmal kurz das Gesicht – im Mai sind
die Termine rar gesät, da wollen alle heiraten –, aber die beiden hatten auch hier Glück: Termin und Uhrzeit waren in der Tat noch frei und sind nun für sie reserviert.
Heute in fünf Monaten, am 23. Mai um halb zwölf Uhr morgens, werden sie standesamtlich getraut. Bei der Verabschiedung des Paares gab die Standesbeamtin,
bei der Lena sich vermutlich sieben Millionen Mal bedankt hat, ihnen noch mit auf den Weg, die Verlobungszeit zu genießen.
Warum Verlobungszeit, fragte Karl nach, sie hätten auf eine Verlobung sehr bewusst verzichtet. Daraufhin erklärte die Dame
den beiden, dass sie nach den Gesetzen unseres Landes mit dem Bestellen des Aufgebots bis zur Hochzeit als verlobt gelten
würden – egal ob sie das wollen oder nicht. Während der Fahrt giggelten die beiden
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