Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
gewittert und hob den Kopf, als bitte sie Rodena, sie endlich loszubinden. Schließlich schämte sich Rodena ihrer Furcht, lief zum Ufer hinab, schwang sich auf den Rücken ihres Pferdes und ritt eilig davon.
In der Burg angekommen, überließ sie das Pferd dem Stallknecht und stieg hastig die Treppe zur Kemenate hinauf. Zum Glück war Caja nicht da, sie schien nach all der morgendlichen Aufregung ein Schläfchen zu machen, und Rodena hatte Zeit genug, ihrer Verwirrung Herr zu werden.
Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können, ganz allein ein Bad im See zu nehmen und sich anschließend auch noch auf dem Felsen zu sonnen, wo sie leicht zu sehen war? Ach, sie waren als Kinder oft an diesem Ort gewesen, hatten zu dritt gebadet, sich ausgiebig mit Wasser bespritzt, ein fröhliches Kreischen, Lachen, Jubeln war das gewesen. Doch bei all ihrem Treiben hatte Caja unerschütterlich am Ufer gestanden und über sie gewacht.
In meinem ganzen Leben werde ich niemals wieder allein im See baden, schwor sie sich. Dann erst begann sie langsam, ruhiger zu werden. Es war ja im Grunde nichts weiter geschehen, außer dass ein Mann sie offensichtlich beobachtet hatte. Dieser elende Kerl hatte sie völlig nackt gesehen, hatte sie möglicherweise schon eine ganze Weile angestarrt und seinen Spaß dabei gehabt. Was er mit ihr vorgehabt hatte, konnte sie nur ahnen, auf jeden Fall musste er sich genähert haben, sonst wären die Steinchen nicht ins Rollen gekommen.
Ich bin schutzlos, dachte sie. Ich bin eine Frau und kann mich gegen einen Mann nicht verteidigen. Nicht mit dem Schwert und auch nicht mit dem Dolch. Höchstens...
Sie dachte nach. Ein gut gezielter Pfeil konnte auch einen kräftigen Mann so schwer verletzen, dass er kampfunfähig war. Wenn sie eine Armbrust hätte, oder wenigstens einen Bogen, dann könnte sie sich wehren, wäre nicht jedem Strolch ausgeliefert, den die Lust überfiel, sie zu belästigen.
Warum hatte sie früher niemals daran gedacht, sich zu bewaffnen? Sie hatte sich einfach darauf verlassen, dass sie Duncans Tochter war und es daher niemand wagen würde, ihr etwas zuleide zu tun. Aber das war ein Irrtum. Wenn sie wie ein Mann gekleidet umherstreifte, dann brauchte sie eine Waffe.
Allerdings musste sie mit dieser Waffe auch umgehen lernen.
Nachdenklich trat sie ans Fenster und sah hinunter in den Burghof. Dort übten sich einige der jüngeren Knappen im Schwertkampf, wobei sie stumpfe Waffen aus Holz benutzten, denn kein Knappe durfte ein scharfes Schwert führen. Gavin hatte die Aufgabe übernommen, das Training der Knaben zu beaufsichtigen, seine lauten Rufe waren bis hinauf in den Turm zu vernehmen, hin und wieder auch das Geräusch einer kräftigen Maulschelle, denn Gavin war nicht zimperlich, wenn einer der kleinen Burschen über die Stränge schlug.
Sie überlegte. Sollte sie Gavin fragen, ob er ihr das Bogenschießen beibrachte? Sie mochte den groben Kerl nicht besonders, doch sie wusste auch, dass Gavin jede Gelegenheit wahrnehmen würde, um sich bei Alister beliebt zu machen. Und schließlich war sie immerhin die Stieftochter des Lairds.
Geduldig wartete sie, bis Gavin die Knaben entließ, die staubbedeckt und voller Beulen und Kratzer zur Köchin liefen, um sich dort eine Schale Grütze, Brot und vielleicht sogar ein paar gedörrte Beeren abzuholen. Gavin und seine Kameraden setzten sich derweil in die Abendsonne und warteten darauf, von den Mägden mit Speis und Trank bedient zu werden.
Rodena sah zu, wie sie schmausten, und als einer der Knechte die Bierkrüge herbeischleppte, hielt sie den Zeitpunkt für gekommen, ihr Vorhaben in Angriff zu nehmen.
Wie zufällig trat sie aus der Turmtür, schlenderte über den Hof und hockte sich nieder, um den Hund zu streicheln. Dabei sah sie aufmerksam zu den Männern, hinüber und stellte fest, dass inzwischen auch Ewan aufgetaucht war. Er hatte sich ein Stück entfernt von den anderen auf dem Brunnenrand niedergelassen, starrte versonnen vor sich hin und schien für das laute Geschwätz von Gavins Kameraden wenig übrigzuhaben. Rodena hatte den Eindruck, dass er hin und wieder zu ihr hinübersah, den Blick aber rasch wieder abwandte, wenn ihre Augen sich trafen.
Wahrscheinlich ist er noch zornig auf mich, dachte sie. Bei dem brauche ich es erst gar nicht zu versuchen.
Sie erhob sich und näherte sich langsam der Männergruppe, die eifrig dem Bier zusprach und dazu übergegangen war, deftige Geschichten zum Besten zu geben. Obgleich die junge
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