Die Weimarer Republik
bekämpfen.
Auf der anderen Seite honorierte die Industrie seine Deflationspolitik nicht. Die Kritik richtete sich abermals gegen die staatliche Einflussnahme auf die Tarifpolitik, gegen das «politisch diktierte Wirtschaftssystem», das zwischen Kapitalismus und Sozialismus schwanke und in dem «dem Kapitalismus dieFehler des Sozialismus zur Last gelegt werden». Der «Generalangriff» auf Brüning hatte Erfolg. Der bot am 7. Oktober seinen Rücktritt an, wurde aber erneut mit der Bildung eines Kabinetts beauftragt, weil eine Alternative nicht in Sicht war. Der Ausgang der Krise war noch zu unübersichtlich, als dass sich die Rechte mit der Verantwortung belasten wollte, die sich am 11. Oktober 1931 in Bad Harzburg neu formierte. Als sich im April 1932 der Durchbruch in der Reparationsfrage ankündigte, war Brünings Sturz aber beschlossene Sache. Ebenfalls im April wurde Hindenburg mit 53 zu 36,8 % gegen Hitler wiedergewählt, die preußische SPD-Regierung verlor in den Wahlen die Mehrheit, das von den Ländern erzwungene SA-Verbot störte die Pläne der Reichswehr, die hier ein Rekrutierungspotential gefährdet sah, und ein Siedlungsprogramm im Osten wurde von den Großagrariern als «agrarbolschewistisch» bekämpft.
Brünings Sturz am 30. Mai 1932 war, wie seine Einsetzung als Kanzler, von langer Hand vorbereitet und vollzog sich ebenso schnell. Die Wahl des Nachfolgers, Franz von Papen, war bezeichnend: westfälischer Adeliger mit angeheirateten Beziehungen zur Industrie des Saarlandes, Vorstandsmitglied landwirtschaftlicher Interessenverbände, Mitglied des Herrenclubs in Berlin, wo sich militärisch-agrarische Kreise ein Stelldichein gaben, Jahrgangskamerad Schleichers auf der Generalstabsschule und Weltkriegsoffizier. Die Mitglieder seines «Kabinetts der Barone» waren wieder von Hindenburg vorgegeben: Agrarier und Militärs. Damit war endlich das «Hindenburg-Kabinett» erreicht, das «überparteiliche» Kabinett von «Fachleuten». Die drei DNVP-Minister (neben fünf Parteilosen) traten aus ihrer Partei aus, während Papen aus dem Zentrum ausgeschlossen wurde. Auch programmatisch handelte es sich um ein Hindenburg-Kabinett: eine «nationale Regierung», die den «Neuen Staat» mit einer «autoritär fundierten Obrigkeit» schaffen wollte, aber zugleich der «Romantik der Träume vom Dritten Reich» eine Absage erteilte. Gegen die «Mißwirtschaft der Parlamentsdemokratie», den «sich ständig steigernden Staatssozialismus», gegen den Klassenkampf und die «moralische Zermürbung» des Volkes wollte man das Gemeinwesenauf seine «ständischen Grundlagen» zurückführen und die «unveränderlichen Grundsätze der christlichen Weltanschauung» wieder zur Geltung bringen.
Doch Papen konnte sich den gesellschaftlichen Bindungen seiner Regierung ebenso wenig entziehen wie den politischen Konstellationen. Um die negative Tolerierungskoalition von links mithilfe der NSDAP durch eine solche von rechts zu ersetzen, war er zu Vorleistungen bereit. Die erste war die Aufhebung des SA-Verbotes am 16. Juni, die die politischen Gewalttaten sprunghaft ansteigen ließ. Schießereien zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten waren an der Tagesordnung. Höhepunkt wurde der Altonaer «Blutsonntag» am 17. Juli; bei einem «Provokationsmarsch» der SA wurden diese und die Polizei von Kommunisten u.a. mit leichten Maschinengewehren beschossen. Hatte Papen die Aufhebung des SA-Verbotes mit der Herstellung von «Chancengleichheit» zwischen NSDAP und KPD begründet, so schlussfolgerte er jetzt aus der selbst provozierten Eskalation: Da die Polizei nicht gegen KPD und NSDAP gleichzeitig kämpfen könne, müsse die NSDAP in den Staat integriert werden. Seine zweite Vorleistung waren die Neuwahlen am 31. Juli. Die Auflösung des Reichstages begründete Hindenburg, verfassungsrechtlich fragwürdig, damit, dass dieser nach dem Ergebnis der Preußenwahl vom April 1932 nicht mehr dem politischen Willen des Volkes entspreche. Das sollte 1933 das Argument bei der Gleichschaltung der Länderparlamente werden!
Dass Papen den Vorrang des Staates vor der Wirtschaft betonte und Zugeständnisse an die Landwirtschaft ankündigte, stieß auf den Widerstand der Industrie. Die war jetzt noch weniger als unter Brüning bereit, zugunsten einer agrarischindustriellen Sammlungspolitik ihre Interessen zurückzustellen. Während die Agrarier auf die Abschottung vom Weltmarkt durch Schutzzölle drängten, forderte die Industrie eine
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