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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Mai
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demonstrieren, aber keine belastbare Alternative.
    Die Wahlen vom 6. November erbrachten eine Überraschung:Die NSDAP verlor erstmalig und ging um 4 Prozentpunkte auf 33,1 % der Stimmen zurück. Zweistellig waren die Verluste gerade in den Ländern, in denen sie die Regierung stellte: Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, Anhalt und Thüringen; 14 Tage später waren es 20 % bei den Gemeinderatswahlen in Sachsen, weitere 14 Tage später 25 % bei denen in Thüringen. Die NSDAP verlor in bürgerlichen Wahlbezirken stark, meist zugunsten der DNVP. Im Wahlkampf hatte Gregor Strasser, Reichsorganisationsleiter und führender Repräsentant des linken Parteiflügels, sein Arbeitsbeschaffungsprogramm vom Mai 1932 in den Vordergrund gerückt. Dieses, die radikale Anti-Papen-Propaganda, die bis zum Mord gesteigerte Radikalität und der gemeinsame Streik mit der RGO bei den Berliner Verkehrsbetrieben hatten viele bürgerliche Wähler verschreckt. Jedoch gewann die Partei in Arbeitervierteln hinzu, besonders in Berlin; im Ruhrgebiet brach sie erstmals in KPD-Hochburgen ein. Die NSDAP schien nach «links» gerückt. Auch Zentrum (11,9 %), BVP (3,1 %) und SPD (20,4 %) verloren an Stimmen, während die Liberalen sich in ihrer Bedeutungslosigkeit stabilisierten. Neben der DNVP (8,9 %) war der Hauptgewinner die KPD (16,9 %), die ihrem Stimmenanteil nach an die SPD heranrückte. Die Parteien, die in unbedingter Opposition zu Papen standen, vereinigten rund 90 % der Stimmen auf sich. Allein NSDAP und KPD kamen zusammen auf 50 %.
    Papen sah sich am 17. November zum Rücktritt gezwungen, wurde aber von Hindenburg erneut mit der Regierungsbildung beauftragt; als ihm das nicht gelang, wurde er am 3. Dezember endgültig entlassen. Sein Scheitern führte deutlich vor Augen, dass sich auch ein autoritäres Präsidialkabinett nicht ohne die Unterstützung einer Massenbewegung halten konnte. Hindenburgs Forderung, dass ein Präsidialkabinett oberhalb der Parteien regieren, aber gleichzeitig über eine parlamentarische Mehrheit verfügen solle, wäre nur durch die Selbstentmachtung des Reichstags möglich gewesen; doch dazu war keine der Parteien bereit. Vor allem war es Papen nicht gelungen, die NSDAP einzubinden. Mit seinen Zugeständnissen hatte er lediglich die Eskalation bürgerkriegsähnlicher Gewalt provoziert. Schleicherwarnte vor blutigen Unruhen, sollte Papen im Amte bleiben, und die Reichswehr wollte nicht garantieren, einen Generalstreik oder einen Aufstand von KPD und NSDAP niederschlagen zu können. Das Schwanken des Reichskanzlers zwischen Wirtschaftsliberalismus und Staatsintervention, zwischen Agrarprotektionismus und industriefreundlicher Konjunkturpolitik hatte die Gegensätze innerhalb der Wirtschaft zwar gemindert, aber keine gemeinsame Front geschaffen, die ihm politische Unterstützung gebracht hätte.
    Nach Papens Scheitern gab es nur noch zwei Alternativen, die Hindenburgs Forderungen entsprachen: der «Querfront»-Plan Schleichers oder eine Mehrheitsregierung unter Führung der NSDAP. Eine Diktatur Hugenbergs, die dieser zu lancieren versuchte, fand nirgends Rückhalt. Und Hindenburg weigerte sich erneut, Hitler alle Vollmachten eines Präsidialkabinettes zu gewähren, da er eine «Parteidiktatur mit allen ihren Folgen für eine außerordentliche Verschärfung der Gegensätze» befürchtete. So erhielt mit Schleichers Ernennung zum Reichskanzler am 3. Dezember ein ungewöhnlicher Ansatz seine Chance. Denn dieser sah das Risiko einer autoritären Regierung deutlicher als Papen: Man könne «auf die Dauer nicht ohne eine breite Volksstimmung hinter sich regieren». Daher wollte er die Gewerkschaftsflügel der Parteien von der SPD bis zur NSDAP in einer «Gewerkschaftsachse» auf der Grundlage einer Arbeitsbeschaffungs- und Konjunkturpolitik zusammenbinden. Damit schien zudem nicht nur eine Ablösung des ADGB von der SPD denkbar, sondern vor allem auch eine Schwächung der NSDAP, wenn nicht sogar die Spaltung der beiden stärksten Fraktionen im Reichstag. Mit der «Gewerkschaftsachse» wäre eine außerparlamentarische, im Kern parteienunabhängige Massenbasis möglich geworden, die der Regierung Legitimation gegenüber einem geschwächten Reichstag verliehen hätte.
    Ausgangspunkt der «Querfront»-Bemühungen war, dass sich die ADGB-Führung am 30. Juli 1932, nur zehn Tage nach dem Staatsstreich in Preußen, der autoritären Regierung Papen als stabilisierender Faktor anbot und sich damit von

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