Die Weimarer Republik
liberale Handelspolitik zugunsten einer Exportoffensive. Letztlich konnte Papen seine Ankündigung nicht wahr machen, im Konfliktfalle der Landwirtschaft den Vorrang einzuräumen, was deren Kooperation mit der NSDAP festigte. Er musste vielmehrden Strukturzwängen eines Industriestaates weiter nachgeben: durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Konjunkturpolitik. Zur Entlastung der Wirtschaft betrieb die Regierung eine Kreditschöpfung von ca. 2 Mrd. RM und lockerte per Notverordnung die Fesseln des Tarifwesens weiter. Die Tariflöhne durften um bis zu 12,5 % unterschritten werden, wenn mit den frei werdenden Geldern neue Arbeitskräfte beschäftigt wurden. Massive Arbeitskämpfe waren die Folge. Den Höhepunkt bildete der mit Gewalt und Ausschreitungen geführte Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben im November 1932, den die kommunistische Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition und die NS-Betriebszellen-Organisation gemeinsam führten: gegen die freien Gewerkschaften, gegen die SPD und gegen die Regierung. Auch wenn die beiden radikalen Flügelparteien sich hier gegen die verhasste Republik zusammenschlossen, minderte das keineswegs den ebenso hasserfüllten Kampf gegeneinander. Der Streik ließ aber auch die Bereitschaft der Arbeiter erkennen, in ihrer Not den beiden radikalen Parteien zu folgen bzw. sich von den etablierten Gewerkschaften abzuwenden, die diese Entwicklung nicht erkannt hatten.
Neben seinem Umsteuern zu einer aktiven Konjunkturpolitik war Papens folgenreichste Tat der «Preußen-Schlag» vom 20. Juli 1932. Es ging sowohl um die Entmachtung der SPD als auch um einen weiteren Schritt zum unitarischen Einheitsstaat. Mit dem zunehmenden Rückgriff auf den Art. 48 unter Brüning hatte eine schleichende «Gleichschaltung» der Länder eingesetzt, da der Bundesrat ausgeschaltet wurde. Sondermaßnahmen, wie Osthilfe oder Arbeitsdienst, wurden durch «Reichskommissare» über die Länderkompetenzen hinweg organisiert. Die Notverordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen 1931 unterstellte das Polizeiwesen dem Reichsinnenminister. Das konnte man noch mit einem reichseinheitlichen Vorgehen gegen den latenten Bürgerkrieg legitimieren. Doch Papen arbeitete darauf hin, die Weimarer Koalition in Preußen durch eine NSDAP-Zentrums-Regierung abzulösen. Den Vorwand bot das Wahlergebnis vom April 1932, das weder der alten Regierung noch der Opposition eine Mehrheit brachte; die Regierungwar nur noch geschäftsführend. Damit entstand in Preußen die gleiche Situation wie zuvor schon in Bayern und Sachsen (Sommer 1930), Hessen (Dezember 1931), Württemberg (März 1932) und Hamburg (Oktober 1931). Am 20. Juli wurde die geschäftsführende preußische Regierung ihres Amtes enthoben. Als Begründung diente die Kommunistengefahr: Der KPD (16 %) sei zwischen der rechten Mehrheit von 47 % und der linken Minderheit von 37 % eine Schlüsselfunktion zugefallen; es bestehe die Tendenz, die KPD in «eine Einheitsfront gegen die aufstrebende Bewegung der NSDAP» einzureihen. Dass die Reichswehr an allen wichtigen Punkten Berlins aufzog, unterstrich den Charakter des Staatsstreichs. Die preußische Regierung leistete nur symbolischen Widerstand, setzte auf den Weg des Rechts. Als das Reichsgericht Ende 1932 entschied, die Regierung sei wieder einzusetzen, ohne gleichzeitig den Reichskommissar zu entfernen, waren bereits fast alle Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Polizeipräsidenten und eine Reihe von Landräten ausgetauscht worden.
Schon am 16. Juli hatte sich die SPD auf «strikteste» Legalität festgelegt: kein Generalstreik. Der wäre auf einen Staatsstreich hinausgelaufen, und dazu waren SPD und Gewerkschaften nicht bereit. Reichsbanner und Eiserne Front hätten den paramilitärischen Verbänden der Rechten vielleicht eine Zeit lang widerstehen können, der Reichswehr dagegen nicht. Zwar gab es lokal Kampfbereitschaft bei Einheiten der Eisernen Front; aber die rissen nicht wie 1920 die Initiative an sich, der eine zögernde Führung folgen musste. Die Gewerkschaften hatten seit ihren Niederlagen von 1930 keine größeren Lohnstreiks mehr gewagt. Anders als beim Kapp-Putsch war in den Betrieben die Stimmung mehrheitlich gegen einen Streik: «Damals hat es auch keine Massenarbeitslosigkeit gegeben», lautete eine weitverbreitete Begründung. Die SPD selbst war in sich gespalten; der linke Flügel war bereit, die indirekte Stützung des kapitalistischen Systems aufzugeben und den Kollaps
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