Die Weimarer Republik
gewonnenen Position neuer Stärke, die durch eine Intensivierung der Handelsbeziehungen zur Sowjetunion unterstützt wurde, sollte Frankreich zu Verhandlungen gezwungen werden.
Österreich und Deutschland wurden jedoch durch französisches Veto zum Rückzug gezwungen; der Haager Gerichtshof erklärte die Zollunion für völkerrechtswidrig. Das schien ein weiteres Mal zu bestätigen, dass das Völkerrecht der Friedensverträge Siegerrecht war. Umgekehrt wertete Frankreich den Vorstoß als Signal zur Aufkündigung von Versailles und Locarno. Als französische Kredite aus der Österreichischen Creditanstalt abgezogen wurden, löste deren Zusammenbruch am 11. Mai 1931 den «Bankenkrach» aus, der zunächst das deutsche und dann das europäische Banken- und Währungssystem in Mitleidenschaft zog. Überall war es ein kompliziertes Zusammenspiel von Wirtschafts- und Finanzkrise, Investitions- und Nachfragerückgang, von Schwächen des nationalen wie des internationalen Finanzmarktes, von außen-, außenwirtschaftlichen und reparationspolitischen Interessen und steuerpolitischen Nöten, von verfehlter Geldpolitik und zweifelhafter Geschäftspolitik, von Spekulationen und Panik der Anleger und Sparer, das zu dieser ökonomischen Katastrophe führte, mit der die Weltwirtschaftskrise noch einmal verschärft wurde.
Jedoch: Für Deutschland sollte sich der Bankenkrach in einen außenpolitischen Erfolg ummünzen. Um die Krise zu begrenzen, schlug US-Präsident Hoover am 6. Juni 1931 sein Reparationsmoratorium für ein Jahr vor und gewährte damit Deutschland einen ersten Revisionserfolg. Frankreich stimmte dem Moratorium nur zögernd zu, obwohl es dadurch seiner Verpflichtungen gegenüber den USA ledig wurde. Angesichts handels- undwährungspolitischer Differenzen mit England und den USA musste es seine völlige Isolation befürchten. Die Hoffnung, mithilfe der eigenen Goldreserven Deutschland (das weiterhin der wichtigste Handelspartner war) durch einen mit politischen Bedingungen («Revisionsmoratorium») verknüpften Stabilisierungskredit wenigstens ökonomisch zu binden, scheiterten: im eigenen Land wie in Deutschland. Es kam noch schlimmer: Auf der Lausanner Reparationskonferenz wurde am 9. Juli 1932 faktisch das Ende der Reparationen beschlossen. Deutschland sollte eine einmalige (nie geleistete) Abfindung von 3 Mrd. Reichsmark zahlen und die Dawes- und Young-Anleihen tilgen. Papen, der die britische Forderung nach Verzicht auf eine aktive Revisionspolitik nicht erfüllen konnte, musste auf weiterreichende Forderungen verzichten, wie z.B. die Streichung des Kriegsschuldartikels. Obwohl das Abkommen von Lausanne nicht ratifiziert wurde, da es an eine endgültige Regelung der interalliierten Schulden gebunden war, wurde es ausgeführt. Nach eigenen Angaben hatte das Reich bis 1932 eine Gesamtreparationssumme (inkl. aller Sachleistungen) von 53,155 Mrd. Reichsmark bezahlt – also knapp ein Fünftel des Betrages, den die Alliierten 1921 gefordert hatten.
Angesichts der sich gegen seine Interessen verändernden Rahmenbedingungen kehrte Frankreich zu seiner traditionellen Bündnispolitik zurück. Der Tardieu-Plan 1932, die Länder des Donauraumes unter finanzieller und politischer Führung Frankreichs wirtschaftlich zusammenzufassen und damit deutscher Einflussnahme zu entziehen, scheiterte nicht nur am entschiedenen Widerstand der Reichsregierung. Dem Reich kam entgegen, dass die südeuropäischen Länder Absatzmärkte für ihre Agrarprodukte suchten. Da die deutsche Landwirtschaft den heimischen Markt nicht ausreichend bedienen konnte, trat das Reich dort jetzt als Abnehmer auf, wo es bereits der bedeutendste Warenlieferant geworden war. Mit Präferenzzollabkommen wurden diese Länder noch stärker an Deutschland gebunden, das zugleich – gegen den Widerstand der Industrie – vom Prinzip der Meistbegünstigung abzuweichen begann. Zwar kam es unter dem Eindruck der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am16. Februar 1933 zur Erneuerung der französisch beeinflussten Kleinen Entente, doch schied Polen 1934 durch sein Arrangement mit dem Reich aus dieser endgültig aus. Als Italien wieder Einfluss auf dem Balkan zu nehmen versuchte und 1934 in den Römischen Protokollen mit Österreich und Ungarn eine Kooperation einging und als sich Jugoslawien, Rumänien, Griechenland und die Türkei zum Balkan-Pakt zusammenschlossen, war der Rückfall der mühsam etablierten Ordnung in eine ungeregelte Mächtekonkurrenz offenkundig:
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