Die Weimarer Republik
zu Lasten Frankreichs und zugunsten Deutschlands.
Nachdem mit dem Reparationsmoratorium ein erster Schritt zur «Gleichberechtigung» getan war, legte die deutsche Regierung gleich nach, um der nationalen Emotion Rechnung zu tragen. Am 29. August 1932 forderte sie das Ende auch der «militärischen Diskriminierung». Nach langen Vorverhandlungen war am 2. Februar 1932 eine Abrüstungskonferenz eröffnet worden. Auch in dieser Frage war es nicht zuletzt das misstrauische Frankreich gewesen, das in den Hochzeiten der Verständigungspolitik internationale Vereinbarungen verhindert hatte. Der Wille, sich für den «Notfall» das militärische Instrumentarium nicht selbst aus der Hand zu schlagen, wie es das Schlagwort «Sicherheit vor Abrüstung» 1923 zum Ausdruck gebracht hatte, ließ (nicht nur auf französischer Seite) das anhaltende Denken in Machtstaatskategorien erkennen. Paradoxerweise war es letztlich die Abrüstungskonferenz, die die Aufrüstung der Kriegsverlierer ermöglichte und ein neues Wettrüsten einleitete.
Während Frankreich versuchte, über den Völkerbund die Kontrolle der deutschen Rüstung bzw. eine Sicherheitsgarantie als Voraussetzung der eigenen Abrüstung zu erreichen, zielte die deutsche Regierung kompromisslos auf «Gleichberechtigung»: nicht durch allgemeine Abrüstung, sondern durch Aufrüstung der 1919 entwaffneten Staaten. Mit Unterstützung der USA, Großbritanniens, aber auch Italiens forderte sie die Verdoppelung der Reichswehr auf 200.000 Mann, die Verkürzung der Dienstzeit auf sechs Jahre, Aufstellung einer Milizarmee, Freigabe verbotener Waffen und eine allgemeine Abrüstungskonvention,die die deutsche Gleichberechtigung festschrieb. Da die Verhandlungen sich hinzogen, verließ das Reich am 23. Juli 1932 die Konferenz. Als Papen drohte, Deutschland werde nur weiterverhandeln, wenn sein Anspruch auf Gleichberechtigung ausdrücklich anerkannt werde, wurde Frankreich von den USA, England und Italien gezwungen, eine entsprechende Deklaration am 11. Dezember 1932 mit zu unterschreiben. Das vage angekündigte «System, das allen Nationen Sicherheit bietet», war kaum mehr als eine Absichtserklärung. Sollten keine Taten folgen, war Deutschland der Vorwand gegeben, den auch England für seine Aufrüstungspläne suchte, die Verhandlungen scheitern zu lassen.
An dem nationalstaatlichen Hegemoniestreben Frankreichs und Deutschlands, denen sich England als Moderator verweigerte, scheiterte die Verständigungs- und Friedensidee. Der von Italien im November 1932 angeregte und im Juli 1933 als Reaktion auf die «Machtergreifung» Hitlers besiegelte Viererbund war ein letzter Versuch, einen multilateralen Ersatz für das System von Locarno zu etablieren. Er sollte die zwischen den Großmächten vereinbarte Revision der Pariser Ordnung umsetzen, nachdem die kollektive Revision durch den Völkerbund gescheitert war. Die britische Appeasement-Politik entsprang nur noch der Hoffnung, die Verständigung zwischen den Großmächten auf bilateraler Ebene realisieren zu können. Doch bedeutete gerade diese Bilateralisierung die endgültige Zerstörung des Systems kollektiver Sicherheit. Eine solche Politik war kaum geeignet, einem unbedingten Willen zum Krieg entscheidend entgegenzutreten.
IV. 1933/34:
«Machtergreifung» und «Führerstaat»
Die Regierung Hitler war am 30. Januar 1933 wie ein «normales» Präsidialkabinett dieser Jahre ins Amt gelangt. Aber allen Beteiligten war bewusst, dass Hitler den Übergang von einer autoritären Regierung zur Diktatur anstrebte. Der erste Abschnitt der «Machtergreifung», die Zerschlagung aller konkurrierenden Machtfaktoren, bewegte sich formell noch im (allerdings bereits weit gefassten) Rahmen der Verfassung, wenngleich mit dem Ziel der Aufhebung dieser Verfassung. Indem die Verfassungskonformität formell gewahrt blieb, konnten größere Teile der alten Eliten integriert werden, ohne dass – mit Ausnahme der Linken – potenzielle Alternativen unmittelbar unterdrückt wurden. Allerdings dauerte der Übergang von der scheinkonstitutionellen zur autoritären Diktatur nur wenige Wochen und Monate. Der zweite Abschnitt war bereits von der Errichtung neuer politischer Institutionen und der radikalen Ausschaltung oppositioneller Faktoren geprägt. Die Durchsetzung des «Führerstaates», die Beseitigung der letzten Verfassungsinstitutionen und der Formen quasilegaler Herrschaftsausübung, fand ihren Abschluss mit der Ermordung der SA-Führung,
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