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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Mai
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Wiederaufrüstung oder Rückgabe des Kolonialbesitzes als Insignien einer Großmacht. Sie wollten die Revision nicht militärisch erzwingen; doch mehrten sich die Stimmen, die auch zu radikalerem Vorgehen bereit waren. Dass die drei Architekten der Locarno-Politik in kurzem Abstand aus dem Amt schieden (Austen Chamberlain verlor im Todesjahr Stresemanns sein Amt, Briand starb 1932), ist mehr eine zufällige Koinzidenz denn die eigentliche Ursache ihres Scheiterns. Hinter der Rückkehr zu den alten Vorstellungen einer deutschen Hegemonie in Mitteleuropa stand nicht nur die Rücksichtnahme auf die Landwirtschaft, sondern auch ein anderes Denken über den Staat, die Souveränität, das Staatensystem und die Außenpolitik. Durch die Befreiung von den «Fesseln» des Versailler Vertrages, von dem (zweiten) «Diktat» des Young-Planes, wie Brüning diesen am 12. März 1930 bezeichnete, sollte Deutschland wieder eine starke Machtposition in Europa gewinnen. Für die Forderung nach «wirklicher Gleichberechtigung» konnten die Regierungen auf breite Unterstützung auch in der Bevölkerung rechnen.
    Dass das System von Locarno prekär konstruiert war, wusste auch Briand. Wenige Tage vor Stresemanns Tod und sechs Wochen vor dem Börsenkrach in New York versuchte er im September 1929, mit seinem Plan einer Wirtschafts- und Zollunion der «Vereinigten Staaten von Europa» und im Mai 1930 mit dem «Memorandum über die Organisation eines ‹Systems eines europäischen Staatenbundes›» den eingeleiteten Pfad zu einer verbindlicheren Vereinbarung voranzutreiben. «Europa» war von Briand als regionale Unterorganisation des Völkerbunds gedacht; erst in zweiter Linie strebte er eine Zollunion an. Zum anderen stand für ihn der Aspekt der Sicherheit seines Landesvor Deutschland weiter im Vordergrund. Auch wenn die internationale Kontrolle des Reiches das eigentliche Ziel war bzw. die Zementierung der latenten Hegemonie Frankreichs auf dem Kontinent, so war eine Zollunion doch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, das Vertrauensbildung durch Vorleistungen einschloss. Weil damit ein Stück nationaler Souveränität hätte geopfert werden müssen, scheiterte der Vorstoß; alle 26 angesprochenen Staaten reagierten mehr oder weniger ausweichend. Die Ambivalenz des Briand-Plans von Kooperation und Kontrolle, anders als nach 1945 in seinem kontinentalen Hegemonialanspruch nicht durch England bzw. die USA gedämpft, stieß besonders in Deutschland auf Vorbehalte. Die zur Fortsetzung der Verständigung bereiten Kräfte versuchten, Briand stärker in die Richtung einer Zollunion zu drängen, um auch die Industrie zu interessieren und die politische Rechte zu spalten. Doch hätte eine solche Akzentverschiebung den Plan nicht gerettet. Die Regierung Brüning ordnete die handelspolitische Kooperation, die zu einer deutsch-französischen Wirtschaftskommission und zu einem neuen Handelsabkommen führte, den Revisionsbestrebungen unter. «Den Absichten Briands, die jetzigen europäischen Zustände zu stabilisieren», stellte Brüning die Forderung entgegen, dass Deutschland «seinen ausreichenden natürlichen Lebensraum» haben müsse.
    Mit dem Scheitern des Briand-Planes war die kurze Blüte der kooperativen Verständigung vorbei und die Rückkehr zur Bilateralisierung eingeleitet. Die Weltwirtschaftskrise kam den revisionistischen Kräften (nicht nur in Deutschland) sehr gelegen. Erfolgreich nutzten sie die Differenzen zwischen Frankreich und den angelsächsischen Mächten, um ihre Forderungen schrittweise zu realisieren. Das Signal für den neuen Revisionismus war der Vorstoß der Regierung Brüning, dessen Anfänge allerdings in die Zeit der Großen Koalition zurückreichten, der europäischen Zollunion Briands eine deutschösterreichische Zollunion entgegenzustellen. Die war als erster Schritt für den «Anschluss» gedacht, den Stresemann noch als Wunschdenken abgetan hatte. Mit diesem am 21. März 1931 lancierten Projekt war der Kampf um Südosteuropa entbrannt. Gegen die französischeKleine Entente wurde jetzt die Perspektive eines deutsch dominierten Mitteleuropa gestellt. Die Tschechoslowakei, der wichtigste Verbündete Frankreichs in der Kleinen Entente, würde durch die Zollunion umklammert, Ungarn sich der Zusammenarbeit nicht entziehen können, danach auch Rumänien und Jugoslawien. Das eröffnete Perspektiven für eine energischere Revisionspolitik gegenüber Polen und für eine Durchdringung der baltischen Staaten. Aus der so

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