Die Weimarer Republik
10. Mai, dann der beginnende Kirchenkampf gegen die protestantische Kirche oder die Gleichschaltung von Presse, Radio und Literatur durch die Reichskulturkammer unter Goebbels am 22. September. Auch die korporative Neustrukturierung der Wirtschaft sorgte für Irritationen. Nach der Gleichschaltung ihrer Verbände im April sahen sich die Unternehmer in die am 10. Mai gegründete Deutsche Arbeitsfront (DAF) eingegliedert; die Tarifautonomie wurde am 19. Mai zugunsten staatlicher Treuhänder der Arbeit aufgehoben. Handwerk und Handel wurden in «Reichsstände»eingegliedert, die Landwirtschaft im Reichsnährstand am 13. September gleichgeschaltet, den Bauern das Reichserbhofgesetz vom 29. September aufgezwungen, das ihr Erbrecht beeinträchtigte, ihre Marktfreiheit durch Preisregulierung seit dem 13. September eingeschränkt. Diese Ansätze zur korporativen Umgestaltung von Wirtschaft und Staat wurden jedoch nicht fortgesetzt. Das scheiterte am Widerstand Hitlers. In parteiinternen Machtkämpfen entstand ein ungeregeltes «polykratisches Chaos» zwischen staatlichen und Parteidienststellen. Dabei setzte sich auf der einen Seite Heinrich Himmler als Chef des gesamten Polizeiapparates im April 1934 endgültig durch; auf der anderen Seite unterlagen Robert Ley mit seinen Versuchen, die DAF zur mächtigen Staatsgewerkschaft auszubauen, sowie Ernst Röhm mit seinen Plänen zur Verankerung der SA als eigenständiger bewaffneter Machtsäule.
Als Reichsinnenminister Frick am 11. Juli 1933 mahnte, die Revolution sei abgeschlossen, richtete sich dies in erster Linie an SA und NSBO. Diese forderten nach der «nationalen» Revolution die «soziale» Revolution ein, die sogenannte zweite Revolution. Die einfachen Mitglieder der SA, die keineswegs Lumpenproletarier waren, sondern zu 70 % über eine Berufsausbildung verfügten, mussten mit ansehen, dass die Arbeitsbeschaffung vielfach an ihnen vorbeiging. Das hatte Methode, um die SA als Terrorinstrument der Partei und des Staates zusammenzuhalten bzw. als Grundlage für eine Konkurrenzorganisation zur Reichswehr. Röhm griff die Unruhe in der SA auf und drohte, die anhaltende Krise werde seine Leute dem Bolschewismus in die Arme treiben. Die Regierung versuchte zunächst, das Problem durch symbolische Gesten zu übertünchen und zugleich eine schleichende Entmachtung einzuleiten. Am 28. Februar 1934 kam es zu einem Aussöhnungszeremoniell zwischen Reichswehr und SA. Doch löste das die Probleme mitnichten.
Günstiger stellte sich die Lage für die zweite proletarische Organisation dar, die NSBO. Deren Mitglieder hatten meist Arbeitsplätze. Achtstundentag, Gewerkschaftszwang, Tarifverträge, Streikrecht(!), Wahrung des Arbeits- und Betriebsräterechts und Ausbau der Sozialversicherung gehörten zu ihren Forderungen.Es kam zu «wilden» Streiks, «Selbsthilfe»-Aktionen gegen unsoziale und autoritäre Betriebsleiter (auch Parteigenossen) bis hin zu eigenmächtigen Verhaftungen. Durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 sollten solche «Revolutionserscheinungen» restlos abgebaut werden. Als die Vertrauensrätewahlen vom Frühjahr 1934 nicht das gewünschte Ergebnis brachten (fast 50 % votierten trotz Manipulation gegen die offiziellen Listen), hatte die NSBO ihre Daseinsberechtigung verloren, durch betrieblichen Aktivismus die sozialistischen Arbeiter für das System zu gewinnen, zumal als 1934 sogar inzwischen der DAF unterstellte Gewerkschaftshäuser besetzt wurden.
Hitler bekundete seit dem Sommer 1933 seine grundsätzliche Ablehnung einer «zweiten Revolution»: Er sei entschlossen, eine solche, «wenn nötig, in Blut [zu] ertränken». Ebenso hatte er seit April 1933 vor Bestrebungen gewarnt, die SA in Konkurrenz zur Reichswehr zu bringen. Den entscheidenden Anstoß gab die Marburger Rede des Vizekanzlers von Papen. Monarchisten und Konservative hatten erkannt, dass ihre Blütenträume zerplatzt waren, Hitler «zähmen» zu können. Da sie auf wenig Resonanz stießen, auch bei der Reichswehr, machte Papen am 17. Juni 1934 die Kritik öffentlich: Er warnte einmal vor der Gefahr einer zweiten Revolution, die leicht zur dritten Revolution ausarten könne, zur «Herrschaft der Guillotine»; er beklagte zum anderen den Eigennutz und die Charakterlosigkeit, die an die Macht gespült worden seien. Es drohte dem Regime eine ernsthafte Krise. Als sich am 29. Juni der Reichswehrminister im «Völkischen Beobachter» auf die Seite der
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