Die weise Frau
Verrat.«
Einige Minuten lang herrschte Schweigen. Alys bemerkte, daß Catherines Tränen versiegt waren. Die alten, harten Züge traten wieder unter der rosigen Molligkeit ihres Gesichtes zutage.
»Mit wem werden sie ihn verheiraten?« fragte Catherine.
Alys unterdrückte ihre Freude und ihre Zuversicht und sagte ganz ruhig: »Lord Hugh hat noch keine Anstalten gemacht.« Sie wartete, daß Catherine es erraten würde; sie wartete auf einen Wutausbruch, einen Eifersuchtsanfall, der Catherine aus dem Schloß treiben würde. Und dann würde sie nie wieder zurückkehren, auf ihrem kleinen Gutshof sitzen, wo nur David sie ab und zu besuchen würde mit unwillkommenen Gaben aus dem Schloß. Verarmt. Allein.
»Sie werden wohl warten, bis die Annullierung rechtskräftig ist«, sagte Catherine. Innerlich mußte Alys über Catherines Einfalt lachen. »Dann werden sie sich nach einem Mädchen umsehen, einem jungen Mädchen, fruchtbar, kräftig und reich. Irgendein adliges kleines Ding, das sich leidenschaftlich in Hugo verlieben wird, genau wie ich. Sie wird ein Leben voller Sehnsüchte und Eifersucht fristen — genau wie ich —, warten und wieder warten auf ein Kind von ihm. Denn er ist es, der keinen Samen hat. Er hat die Fäulnis in sich.«
Alys hielt den Kopf gesenkt, damit Catherine ihr Lächeln nicht sehen konnte. Keine junge adelige Braut wurde in Erwägung gezogen. Es gab keine Kandidatinnenliste. Alys stand Lord Hugh näher als alle anderen im Schloß. Wenn es Heiratspläne für Hugo geben würde, wüßte Alys davon — noch bevor Hugo es erfuhr. Die Annullierung war geplant. Eine zweite Heirat würde nach Lord Hugos Wünschen erfolgen, mit Zustimmung seines Vaters. Alys wußte, wenn Catherine das Schloß verließ, würde sie die neue Lady werden.
Catherine schlug die Bettdecke zurück und ging zum Fenster. Sie zog den Vorhang beiseite und öffnete die Läden. Die Morgensonne strömte ins Zimmer, der Staub von den Spreukräutern tanzte in den Sonnenstrahlen.
»Schau ihn dir an«, sagte sie haßerfüllt. »Fröhlich wie immer.«
Alys stellte sich zu ihr. Im Hof unten hielt Hugo gerade Mary am Arm fest.
»Wer ist sie?« flüsterte Catherine.
»Ein neues Mädchen, meine Zofe. David hat sie in Castleton für mich gefunden«, sagte Alys. Sie merkte, wie ihr die Luft wegblieb, und tief in ihrem Bauch hämmerte ihr Puls vor Eifersucht.
Hugos Lachen hallte durch den Hof. Sie sahen, wie Mary ihr Haar zurückwarf und ihn anlächelte. Aus dem Kerkerturm kam ein Soldat durch die kleine Tür, ging die Außentreppe hinunter und rief Hugo einen kleinen Scherz zu. Die beiden Frauen am Fenster sahen, wie Mary die Schultern hob und lachte.
»So, jetzt kennst du es auch«, sagte Catherine triumphierend. »Jetzt weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als sie dich frisch vom Moor hierhergebracht haben und ich gesehen habe, wie Hugo sich jedesmal nach dir umgedreht hat, wenn du durchs Zimmer gegangen bist. Es hieß, du wärst eine meiner Hofdamen, aber ich habe gewußt, daß du zu ihrem Vergnügen hier bist, für Hugo und den alten Lord. Es hat mich innerlich umgebracht zu sehen, wie er sich nach dir verzehrt hat. Und jetzt kannst du dir deine Zofe anschauen, ein albernes, dummes Mädchen, und sehen, wie Hugo sich nach ihr verzehrt. Und jedesmal, wenn sie durch den Raum geht, wirst du sehen, wie er sich von dir abwendet und ihr nachschaut.«
Alys lehnte sich gegen den Fenstersims und schaute hinunter, die Steinmauer drückte hart und kalt gegen ihren Leib. Hugo hatte seinen Arm um Marys Taille gelegt und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Mary hatte sich in seinen Arm zurückgelehnt, den Hals verführerisch gestreckt, der Ansatz ihrer Brüste quoll aus dem Mieder. Stumm beobachtet von Hugos Frau und Hugos Mätresse senkte Hugo seinen dunklen Kopf und küßte ihren Hals und ihre Brüste. Sie hörten Marys Lachen, und dann schob das Mädchen ihn weg. Sie entfernte sich ein paar Schritte von ihm, als wolle sie sich wehren, dann warf sie ihm einen Blick über die Schulter zu, die Aufforderung zur Jagd. Als er ihr nicht folgte, stemmte sie den Korb in die Taille und ging hüftschwenkend über den Hof. Hugo blieb stehen und schaute ihr genüßlich nach, bis sie außer Sicht war.
»Wie lange, glaubst du, wird sie sich ihm widersetzen?« fragte Catherine. »Einen Monat? Eine Woche? Bis heute abend?« Sie lachte verbittert und lehnte sich an den Bettpfosten. »Ich fand es immer besser, wenn sie schnell nachgaben. Dann langweilt er sich
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