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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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richtig sieht. Sie begreift nichts. Sie glaubt, ich wäre nur eine vorübergehende Laune, sie erkennt nicht, daß ich Hugos Lady bin.«
    Der alte Lord hatte sich abgewandt. Alys konnte sein Gesicht nicht sehen. Aber die starre Haltung seines Rückens warnte sie.
    »Du hast geglaubt, du wirst die neue Frau?« fragte er.
    Alys merkte, daß sie hektisch atmete. Wieder spürte sie Angst und Wut, wie vorhin, als sie Hugo im Hof flirten sah. Ihr wurde heiß und kalt zugleich.
    »Ja«, sagte sie tapfer. »Ich bin vielleicht nicht adelig und bringe auch keine Mitgift. Aber ich bin die einzige Frau, die je ein Kind von ihm empfangen hat und es auch gesund zur Welt bringen wird. Mein Sohn wird Euer einziger Erbe sein. Ihr wißt genausogut wie ich, daß Catherine nicht unfruchtbar ist — Ihr habt sie ja von zahllosen Ärzten untersuchen lassen. Ihr wißt, daß Hugos Samen schwach ist. Wenn Ihr ihm eine andere Frau zuführt, riskiert Ihr wieder eine kinderlose Ehe. Wenn ich im Frühling einen Sohn zur Welt bringe, werdet Ihr es nicht wagen, uns bis dahin nicht verheiratet zu haben, damit das Kind rechtmäßig geboren wird.«
    Der alte Lord, der ihr immer noch den Rücken zugewandt hatte, warf den Kopf zurück und lachte schallend, ein grausames, humorloses Lachen. Alys lächelte nervös und wünschte, sie könnte den Spaß verstehen.
    »Ich nicht wagen?« fragte er und drehte sich zu ihr. »Du glaubst, ich wage es nicht? Meine hübsche kleine Schlampe, ich wage noch ganz andere Dinge!« Er ging auf sie zu und hielt ihr seine knochige Hand unter die Nase und zählte die Punkte an seinen Fingern ab. »Erstens: Hugo wird keine gemeine Frau von Gott weiß woher heiraten, von Gott weiß was für einer Familie oder Eltern. Zweitens: Ich setze nie auf Äußerlichkeiten.« Er tätschelte ihren Bauch mit dem Handrücken. »Du könntest einen Krüppel da drin haben, wie Catherine. Du könntest ein Mädchen kriegen.« Er redete, als wären ein Krüppel und ein Mädchen gleich widerlich. »Du könntest ein totes Baby zur Welt bringen oder einen verblödeten Jungen.«
    Alys legte instinktiv die Hand vor ihren Bauch, als müsse sie ihn vor diesen Worten schützen. Er schob ihre Hände beiseite. »Oder Luft«, sagte er grausam. »Du könntest eine Fehlgeburt haben wie Catherine. Du hast noch fünf Monate vor dir, meine kleine Hure, du glaubst doch nicht, daß ich etwas kaufe, wenn ich nicht sehe, was ich bekomme?«
    Alys starrte ihn stumm an, die Hände im Schoß mit den Handflächen nach oben. »Und drittens«, sagte er sehr laut. »Auch für den Fall, daß es ein Sohn ist, gesund und kräftig, wird Hugo dich nicht heiraten, du kleine Närrin. Wir legitimieren den Sohn! Ich adoptiere ihn als meinen Erben. Wir wollen das Kind, wir wollen nicht dich! Wir wollten dich nie, außer für Schreibarbeiten und Hugos Vergnügen!«
    Alys' Gesicht war schneeweiß, und ihre Hände zitterten.
    »Wie bist du nur darauf gekommen, daß du mich einfangen könntest, du kleine Schlampe? Hast du vergessen, wer ich bin? Du hast anscheinend in dem Augenblick, in dem du farbiges Tuch auf dem Rücken hattest, dein gemeines Blut vergessen. Und ich? Hast du vergessen, wer ich bin? Ich bin Herr aller Ländereien im Umkreis von Hunderten von Meilen. Meine Familie wurde hier von Wilhelm dem Normannenkönig angesiedelt, und ich habe für jeden Morgen, auf dem ich stehe, gekämpft und intrigiert. Du magst dich ja selbst vergessen — Gott weiß, du bist nicht sonderlich beachtenswert! Aber ich? Hast du meine Macht und meinen Stolz vergessen? Hast du vergessen, wer ich bin?«
    Alys erhob sich mit unsicheren Knien. »Mir ist übel«, sagte sie und spürte, wie ihr Gesicht zitterte. Sie hatte Schwierigkeiten, die Worte herauszubringen. »Ich werde Euch verlassen, Mylord.«
    »Setz dich, setz dich«, sagte Lord Hugh, sein Zorn war sofort verflogen. Er drückte sie in einen Stuhl, stapfte zum Tisch und goß ihr ein Glas Wein ein. Alys nahm es und nippte daran. Er beobachtete, wie sie allmählich wieder Farbe bekam.
    »Ich habe dich gewarnt«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich habe dich davor gewarnt, deine Grenzen, Gottes Grenzen zwischen dem Adel und dem Rest, überspringen zu wollen.«
    Der Wein hatte Alys beruhigt. »Hugo liebt mich«, sagte sie leise.
    Der alte Lord schüttelte den Kopf. »Alys, ich flehe dich an, rede nicht wie eine Närrin. Du gefällst Hugo. Du bist eine hübsche, begehrenswerte Frau. Jeder Mann würde dich wollen. Wenn ich nicht alt und gebrechlich

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