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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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fortreißen, ehe die Soldaten kamen.
    »Schlaft wohl«, sagte Alys ironisch in die Dunkelheit. »Meine beiden Mütter. Schlaft wohl. Möge der Sturm euch beide mitnehmen, möge der Regen euch beide aus meinem Leben spülen, mögen die Winde euch weit, weit von mir wegblasen.« Sie lachte krächzend über ihren eigenen schwarzen Humor und wandte sich dann langsam Hugo zu. Er lag da, wo sie ihn gelassen hatte. Seine Haut war kalt und naß. Alys wickelte sich fest in ihr Cape und öffnete dann die Falltür im Boden. In den Taubenschlägen unter dem kleinen, baufälligen Dach beobachteten sie ängstlich ein halbes Dutzend winziger roter Augen. Die Vögel flatterten beunruhigt, als sie vorbeiging. Alys stieg die schmale Steintreppe hinunter und ließ die Falltür wieder zufallen. Sie ging an Hugos Zimmer vorbei und am Gemach des alten Lords. Auf halbem Weg zum Wachzimmer traf sie einen der Soldaten.
    »Hol dir einen Kameraden, und dann bringt Lord Hugo nach unten«, befahl sie. »Er ist betrunken und wollte unbedingt aufs Dach, den Sturm beobachten. Sorg dafür, daß seine Diener ihn wärmen und abtrocknen und zu Bett bringen. Er ist sturzbetrunken und kann nicht gehen.«
    Der Soldat grinste. »Ja, Lady Alys«, sagte er. Er lief schnell ins Wachzimmer voraus, und Alys hörte dröhnendes Männergelächter. Dann lief sie die Treppe hinauf zur Damengalerie.
    Mary wartete neben Alys' Bett, als sie ins Zimmer kam. Ohne Kommentar nahm sie ihr den durchnäßten Umhang ab und wickelte Alys in ein warmes Laken. Alys war zu müde, um sich mit einem Nachthemd und einer Nachthaube abzumühen. Sie glitt rasch zwischen ihre Laken, warm eingehüllt wie ein Wickelkind.
    »Gute Nacht, Mylady«, sagte Mary behutsam und blies die Kerze aus.
    In dieser Nacht hatte Alys einen Traum. Er handelte von dem Gewitter und dem strömenden Regen außerhalb des Schlosses; von dem brodelnden Fluß, der die Felsfundamente der Burg umspülte; von der glatten Rune. Er handelte von Morach — dunkel und tief und versteckt in ihrer ertrunkenen Höhle — und von Hildebrande, die im Finstern betete. Das alte Gesicht war tränenüberströmt. Sie betete für das Lamm, das vom Weg abgekommen war, für die Tochter, die zum Verräter geworden war.
    Alys träumte, sie wäre auf der Straße von Morachs Hütte nach Castleton. Sie träumte, sie würde auf ihrer Stute reiten. Es war ein schöner Tag, und das Pferd trabte gleichmäßig über die weiße Straße. Alys träumte von den bläulichen Blättern des wilden Salbeis an der Straßenböschung und hielt ihr Pferd an, um die frischen Blüten zu pflücken.
    Die Stute blieb stehen, Alys glitt aus dem Sattel und bückte sich über die Pflanze. Da wich sie erschrocken zurück. Die Böschung waberte von Würmern. Sie schäumte vor weißen Maden, winzig und dünn, die sich in einer Masse der Fäulnis wälzten. Sie fiel gegen die Schulter des Pferdes und sah, daß die Böschung auf der anderen Seite ebenfalls von Würmern wimmelte. Sie war gefangen zwischen zwei Festmählern sich windender, stummer Maden.
    Alys wollte in den Sattel springen, aber plötzlich hatte ihr Pferd weder Sattel noch Steigbügel. Sie tastete den Rücken des Pferdes ab. Aber da war nichts, und sie spürte, wie die Madenhügel sich auf sie zubewegten.
    Alys schrie, so laut sie konnte, und der Schrei zerriß ihren Schlaf. Sie öffnete die Augen und saß aufrecht im Bett, in Angstschweiß gebadet.
    »Mein Gott, oh, mein Gott«, sagte sie in die Dunkelheit.
    Im Schloß herrschte Ruhe, das Gewitter war weitergezogen. Draußen war das leise Plätschern von Sommerregen zu hören, und der Himmel war blaß von der aus den Wolken steigenden Sonne.
    »Mein Gott«, sagte Alys noch einmal.
    Sie drehte das Kissen um, es war schweißnaß. Sie zog die Decken etwas enger um sich. Sie fühlte sich kalt und zittrig, als hätte sie sich gerade erst aus dem Gewitter gerettet.
    »Was für ein Traum!« sagte Alys in die Stille. »Ein Albtraum. Und lauter Unsinn. Alles Unsinn.«
    Sie schüttelte den Kopf, legte sich wieder auf ihr Kissen und wickelte sich fest in die Decke.
    »Unsinn«, sagte sie leise. »Lauter Unsinn.«
    innerhalb von Minuten war sie wieder eingeschlafen, fing sie wieder an zu träumen. Wieder ritt sie auf ihrer hübschen Stute die Straße entlang. Wieder sah sie das Kraut, zügelte ihr Pferd und beugte sich über die blumenübersäte Böschung. Etwas Weißes bewegte sich unter den Blättern.
    Alys wich zurück, überzeugt, es wäre irgendein Wurm,

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