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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Taschentuch. Sie rieb sich die Augen und die feuchte Nase. »Tag und Nacht muß ich weinen«, schluchzte sie. »Ich weine sogar im Traum.«
    Alys senkte den Blick auf ihre Hände, die sie über der blauen Robe gefaltet hielt. Sie waren glatt und weiß wie die einer Dame. Keiner, der sie jetzt sah, würde glauben, daß Alys je etwas Schwereres als eine Nadel gehalten hätte. »Warum weint Ihr denn?« fragte Alys, nicht sonderlich interessiert.
    Catherine drückte ihre Handrücken an ihre geröteten Wangen, um sie zu kühlen. »Hugo will mich nicht sehen«, sagte sie traurig. »Er kommt mich nicht besuchen, und er weigert sich, mich anzufassen, weil ich noch nicht kirchlich geläutert bin. Aber Pater Stephen ist nicht da, also kann ich nicht geläutert werden. Hugo weiß das. Er benutzt es als Ausrede, um mich vor den Kopf zu stoßen. Ich weiß es genau.« Sie hielt inne. Ihre Stimme war laut und wütend geworden. Sie holte tief Luft.
    »Ich weiß nicht einmal, ob Pater Stephen zu einer kirchlichen Läuterung rät«, sagte sie gereizt. »Wenn er es als Aberglauben abtut und sich weigert, mir die Absolution zu erteilen, wird Hugo mich weiterhin meiden. Was kann ich dagegen tun? Es ist nicht meine Schuld!« Ihre Stimme war wieder hoch und schrill geworden. Sie rang zitternd nach Luft und versuchte, sich zu fassen.
    »Der alte Lord will mich nicht sehen«, sagte sie. »Er hat gesagt, er wird mich empfangen. Ich weiß, daß er böse auf mich ist.« Sie zögerte dann fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Ich habe ihn im Verdacht, daß er mich wegschicken will.«
    Alys sah kurz zu ihr auf, sagte aber nichts.
    »Du mußt es wissen«, sagte Catherine plötzlich energisch. »Du schreibst seine Briefe, er erzählt dir von seinen Angelegenheiten. Will er mich loswerden und die Ehe annullieren lassen?«
    »Ja«, sagte Alys ohne Umschweife. »Wenn seine Freunde bei Hof seinen Antrag unterstützen.«
    Catherine wurde aschfahl. »Mit welcher Begründung?« flüsterte sie.
    »Zu enge Blutsbande«, erwiderte Alys.
    »Es gab einen Dispens...« begann Catherine.
    »Vom Papst gekauft«, erwiderte Alys. »Jetzt entscheidet der König über diese Angelegenheiten. Nicht der Papst.«
    Catherine starrte Alys stumm an. »Was sagt Hugo dazu?« fragte sie. »Liebt er mich noch? Wird er sich gegen seinen Vater stellen?«
    »Hugo weiß nichts davon. Aber ich bezweifle, daß er sich in dieser Sache dem Willen seines Vaters widersetzen wird.«
    »Nein«, sagte Catherine kopfschüttelnd. »Das würde er nicht. Er hat mich geheiratet, weil es sein Vater befohlen hat, und er hat mit mir geschlafen, weil er einen Erben brauchte. Jetzt, wo ich ihm keinen Erben mehr schenken kann, braucht mich keiner mehr. Also werden sie mich wegwerfen.«
    Alys betrachtete ihre Fingernägel. Sie waren blaßrosa und wohlgeformt, mit durchsichtigen weißen Spitzen und kleinen weißen Halbmonden am Ansatz. Alys betrachtete sie voller Wohlgefallen.
    »Ich bin verloren«, sagte Catherine tonlos.
    Alys wartete, Catherines Schmerz ließ sie kalt.
    »Was werden sie mit mir machen?« fragte Catherine.
    »Ihr könntet wieder heiraten«, schlug Alys vor.
    Catherines Wangen bekamen wieder ein bißchen Farbe. »Nach Hugo?« fragte sie.
    Alys mußte ihr wider Willen recht geben und nickte. »Oder Ihr könntet ein kleines eigenes Haus haben, mit eigenen Dienern auf Euren Ländereien.«
    Catherines molliges Gesicht zitterte jämmerlich. »Ich war die Herrin des Schlosses«, sagte sie. »Die Frau von Lord Hugo. Erwarten sie, daß ich in einer Hütte lebe und Enten züchte?«
    Alys lächelte. »Könntet Ihr Euch ihnen widersetzen?«
    »Ich würde verlieren«, sagte Catherine prompt. »Nicht einmal Katharina von Aragon konnte sie umstimmen, und sie war von fürstlichem Geblüt. Die Boleyn wurde von ihrem eigenen Onkel für schuldig befunden und zur Hinrichtung geschickt. Da werden sie wohl kaum auf mich hören! Der Rat des Königs hört es nicht gerne, wenn man von männlicher Impotenz oder männlicher Unfruchtbarkeit spricht. Für sie ist es einfacher, der Frau die Schuld zu geben.«
    Alys vergewisserte sich mit einem Blick über die Schulter, daß die Tür sicher geschlossen war. »Das ist Verrat«, sagte sie ohne Umschweife.
    Catherine begegnete trotzig ihrem Blick. »Das ist mir gleichgültig«, sagte sie. »Sie haben mich wie ein Spielzeug benutzt, und jetzt werfen sie mich auf den Misthaufen. Wenn ich als Verräterin gehenkt werde, würde mich das auch nicht schwerer treffen als dieser

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