Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
gelassen.«
    »Ist sie gefallen?«
    »Das hätte ich gehört«, sagte Ruth bissig. Ihr Gesicht war fast so blaß wie das gräßliche weiße von Catherine. »Ich habe gehorcht, ob sie ruft. Wenn sie gefallen wäre, hätte ich es gehört. Ich hab nichts gehört. Nichts.« Sie verstummte und wandte sich schluchzend ab. »Nichts«, sagte sie.
    »Sie war betrunken«, sagte Mistress Allingham. »Ich glaube, sie ist einfach ins Wasser gerutscht und konnte sich nicht mehr rausziehen.«
    »Könnt Ihr denn nichts tun?« fragte Eliza. »Eine Ader öffnen, sie zur Ader lassen! Irgend etwas!«
    Alys schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte sie langsam. »In Catherine fließt kein Blut mehr. Sie ist tot.«
    Sie wich zurück. »Schließt die Tür. Schafft diese Leute hier raus«, sagte sie. »Holt jemanden, der ihre Blöße bedeckt und sie aus dem Bad hebt. Der alte Lord muß verständigt werden, und Hugo. Sie sollten sie nicht so sehen.«
    Die Menge in der Galerie setzte sich in Bewegung, um Alys' Befehle auszuführen.
    »Ich werde es dem alten Lord mitteilen«, sagte Alys mit dumpfer Stimme.
    Ruth stieß einen hohen, spitzen Schrei aus und rannte in ihr Zimmer. Eliza schickte sich an, ihr zu folgen. »Seltsam«, sagte sie, blieb stehen und sah Alys an. »Daß sie vor dem Ertrinken im Fluß, in dem Eisschollen schwammen, bewahrt wurde und dann im Bad ertrinkt.«
    Alys schüttelte den Kopf und schloß halb die Augen. »Es ist ein Albtraum«, sagte sie, und sie meinte es auch. »Ein Albtraum.«

32
    Catherines kalter, aufgedunsener Leichnam wurde bekleidet und in der kleinen Kapelle neben dem Pförtnerhaus im äußeren Grabenring aufgebahrt, mit einem Kerzenleuchter am Kopfende und einem zu ihren Füßen. Pater Stephen gab Anordnung, für ihre Seele zu beten, aber es gab keine Nonnen und Mönche, die die Totenwache für Lady Catherine halten würden. All das war vorbei, und keiner wußte mehr, wie man die Lady des Schlosses betrauern sollte.
    Pater Stephen sagte vier Soldaten die Gebete, die gesprochen werden sollten, und sie hielten die Totenwache, als müßten sie nach einem Feind Ausschau halten. Gut war das nicht. Jeder wußte, daß es nicht gut war, jetzt da keine Mönche und Nonnen mehr da waren, die für die Seele einer Frau beteten, die in schwerer Sünde gestorben war. Ruth blieb bei dem provisorischen Sarg, hielt ihn mit einer Hand fest, ließ ihren Rosenkranz durch die Finger gleiten und sprach die Gebete, die sie als Kind gelernt hatte. Sie war nicht zu bewegen, ihren Platz zu verlassen.
    Die anderen Frauen versuchten, sie zur Galerie zu zerren, und Eliza stellte sich vor sie, um sie zu verstecken, als Pater Stephen in die Kapelle kam. Er zog die Augenbrauen hoch, als er das Murmeln lateinischer Gebete hörte und das Klicken der Rosenkranzperlen, aber ein Blick auf Ruths gepeinigtes, aschfahles Gesicht hielt ihn davon ab, sie zu unterbrechen.
    »Was ist das?« fragte er Alys mit seiner scharfen, vorwurfsvollen Stimme. »Ist die Frau etwa Papistin? Ich habe gewußt, daß sie fromm ist, aber ich habe nie geahnt, daß sie einen Rosenkranz und die alten Gebete betet. Sie hat doch den Eid geschworen, nicht wahr? Sie weiß, daß der König das Oberhaupt der Kirche von England ist?«
    Alys nickte. »Vergeßt nicht den Schock. Sie hat Lady Catherine geliebt. Wenn sie sich davon erholt hat, wird sie sich wieder benehmen, wie es sich ziemt.«
    »Und die anderen?« fragte er. Alys hörte seine wachsende Erregung. »Sind sie auch in römische Ketzerei verstrickt? Begreifen sie die Natur der wahren Kirche nicht?«
    »Nein, nein«, sagte Alys hastig. »Wir sind alle gute Christen.«
    »Nehmt ihr den Rosenkranz weg«, sagte Pater Stephen.
    »Ist es eine Sünde?« fragte Alys verwirrt. »Ich dachte, das wäre erlaubt?«
    »Einige behaupten, es könnte nicht schaden, aber ich und mein Bischof, wir betrachten es als Götzendienst, und der ist genauso gefährlich wie jeder falsche Gott«, sagte Stephen voller Inbrunst. »Es ist ein Tor zur Sünde, wenn nicht gar eine Sünde an sich. Nehmt ihn ihr weg.«
    Alys zögerte. »Es ist ihr eigener«, sagte sie. »Sie benutzt ihn nur, um ihre Gebete abzuzählen.«
    »Nehmt ihn«, sagte Stephen streng. »Ich kann es nicht dulden — nicht einmal wenn es der Trauer für Lady Catherine dient. Es ist eine Pforte zu Sünde und Verwirrung.«
    Alys wartete, bis er die Kapelle verlassen hatte, und klopfte dann Ruth auf die Schulter. »Gib ihn mir«, sagte sie schroff und zeigte auf den Rosenkranz. »Du

Weitere Kostenlose Bücher