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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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allgemeine Publikum darüber mit Ja oder Nein abgestimmt hat. Unternehmen können und sollten es aber so halten, dass Menschen ihre Urteile simultan und nicht einer nach dem anderen abgeben. In einem tieferen Sinne unterstreicht das Experiment von Hung und Plott – es zwang die Einzelnen in der Gruppe, voneinander unabhängig zu werden – sowohl den Wert von Autonomie als auch die Schwierigkeit, sie zu erreichen. Ein Schlüssel zu erfolgreichen Gruppenentscheidungen liegt darin, die Menschen zu bewegen, weniger auf das zu hören, was die anderen sagen.

VIERTES KAPITEL
    Die Steinchen zusammenfügen:
CIA, Linux und die Kunst des Dezentralisierens

1
    Auf einem von der New York Herald-Tribune veranstalteten Forum im April 1946 hielt General Bill Donovan einen Vortrag mit dem Titel »Unsere Außenpolitik braucht eine zentrale Nachrichtenagentur«. Während des Zweiten Weltkriegs war Donovan Chef des US-Geheimdienstes Office of Strategic Services (OSS) gewesen, und nun forderte er laut und vernehmlich eine schlagkräftigere Variante des OSS für Friedenszeiten. Vor Kriegsbeginn hatte die Verantwortung für geheime Nachrichtenbeschaffung in den Vereinigten Staaten bei den verschiedenen militärischen Gattungen gelegen. Weil keiner ihrer Dienste – trotz im Rückblick offenbar zahlreicher Hinweise, denen zufolge die Japaner eine größere militärische Operation vorbereiteten – den Überfall auf Pearl Harbor vorhergesehen hatte, waren die Grenzen der bisherigen Strukturen deutlich hervorgetreten und eine umfassendere Organisation zum Sammeln von Geheiminformationen notwendig geworden. Dafür sprachen ab 1946 auch die Möglichkeit eines Konflikts mit der Sowjetunion sowie das Aufkommen neuer Technologien – Donovan nannte »die Rakete, die Atombombe, bakteriologische Kriegführung« -, die das Territorium der USA alles andere als unangreifbar erscheinen ließen. In Anbetracht all dessen, so argumentierte Donovan in seinem Vortrag, bräuchten die USA ein »zentrales, unparteiliches, unabhängiges Organ«, das für sämtliche geheimdienstliche Aktivitäten zuständig wäre.
    Seiner eigenen Karriere haben Donovans öffentliche Auftritte nicht sonderlich gut getan, weil er mit seiner scharfen Kritik das gesamte Geheimdienst-Establishment verärgerte; dadurch wurden ihm die Chancen, wieder in den Regierungsdienst zurückzukehren, wahrscheinlich verdorben. Immerhin verabschiedete der US-Kongress schließlich 1947 den National Security Act, mit dem die Central Intelligence Agency (CIA) ins Leben gerufen wurde. Wie der Historiker Michael Warner ausführt, verfolgte dieses Gesetz »das Ziel einer Umsetzung der Prinzipien einer einheitlichen Führung und Organisation der Geheimdienste«. Deren vorherige Zersplitterung und Aufteilung hatten die Vereinigten Staaten für Überraschungsangriffe verwundbar gemacht. Ihre Zentralisierung und Einheit sollten die USA in Zukunft sichern.
    Trotzdem fand eine solche Zentralisierung der Geheimdienste nie statt. Zu Beginn der Nachkriegszeit kam der CIA zwar eine Schlüsselstellung zu. Danach jedoch splitterten die Abwehr- und Nachrichtenfunktionen mehr denn je auf in einem Wust von Organen und Kürzeln mit überlappenden Aufgaben und Aktivitäten, zu denen neben der CIA auch die National Security Agency, die National Imagery and Mapping Agency, das National Reconnaissance Office, die Defence Intelligence Agency und die Geheimdienste der drei Hauptwaffengattungen zählten. In der Theorie war der CIA-Direktor für die geheimdienstlichen Tätigkeiten der USA insgesamt zuständig. In Wirklichkeit aber hatte er über diese vielen Organe wenig Vollmacht und Kontrolle, sie wurden zum größten Teil aus Mitteln des US-Verteidigungsministeriums finanziert. Zudem operierte das FBI – das Federal Bureau of Investigation war für den Gesetzesvollzug im Landesinnern verantwortlich – nahezu komplett außerhalb des Einflussbereichs dieses Geheimdienstwesens, obwohl Informationen über in den USA tätige ausländische Terroristen selbstverständlich für die CIA von Belang gewesen wären. Statt der von Donovan befürworteten zentralen Stelle zum Sammeln und Auswerten der relevanten Informationen entwickelte sich eine Anhäufung von praktisch autonomen Organisationen, die alle demselben Ziel dienten – die USA vor Angriffen von außen zu bewahren -, dieses aber auf sehr unterschiedliche Weise verfolgten.
    Solche Systemfehler wurden bis zum 11. September 2001 ignoriert. Die Abwehr- und Nachrichtenkreise

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