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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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angeeignet hatten, so als ob sie auf dem eingeschlagenen Weg beim ersten Mal einen »Ariadnefaden« ausgerollt hätten. Johnson wollte wissen, wie die Agenten ihre neu erworbenen Kenntnisse nutzten. Sie nutzten sie erwartungsgemäß gut und durchwanderten beim zweiten Mal das Labyrinth auf gewitztere Weise. Während sie beim ersten Mal durchschnittlich 34,3 Schritte bis zum Ausgang benötigt hatten, waren es beim zweiten Mal bloß 12,8 Schritte.
    Schlüsselelement dieses Experiments war aber Folgendes: Um zur »kollektiven Lösung« des Problems zu gelangen, zog Johnson die Resultate aller individuellen Durchquerungen des Labyrinths heran. Im Labyrinth rechnete er aus, für welche Knoten sich die Mehrheit entschieden hatte; anschließend bahnte er den Weg, der sich infolge dieser Mehrheitsentscheidungen abzeichnete. (Wenn an einem bestimmten Knoten überwiegend links abgebogen wurde, nahm er an, dass die ganze Gruppe diese Richtung gewählt hatte. Knoten, bei denen sich ein Patt ergab, wurden willkürlich aufgeteilt.) Der so errechnete Weg der Gruppe bestand aus lediglich neun Schritten und war damit nicht nur kürzer als der Weg der durchschnittlichen Individuen (12,8 Schritte), sondern außerdem auch so kurz wie der Weg, den das klügste Individuum für sich entdeckt hatte. Im Übrigen stellte er die bestmögliche Lösung des Problems dar. Es gab keine Route, um das Labyrinth mit weniger als neun Schritten wieder zu verlassen. Folglich hatte die Gruppe die optimale Lösung gefunden. Hier stellt sich nun allerdings logisch die Frage: Unter den Bedingungen von Labors und Seminarräumen mag das Urteil von Gruppen oder Massen ja gut sein, doch wie sieht es in der Realität aus?

2
    Am 28. Januar 1986 um 11.38 Uhr wurde die Trägerrakete, die die Raumfähre Challenger ins All befördern sollte, in Cape Canaveral gezündet und hob ab. 74 Sekunden später – sie hatte gerade eine Höhe von 16 Kilometern erreicht – explodierte sie. Da der Start des Spaceshuttles im Fernsehen übertragen wurde, verbreitete sich die Nachricht von dem Unglück rasch. Die erste Meldung kam acht Minuten nach der Explosion über den Dow-Jones-Nachrichtendienst.
    Die Börse gönnte sich keine Trauerpause. Binnen Minuten begannen Investoren ihre Aktien jener Unternehmen abzustoßen, die maßgeblich am Projekt Challenger beteiligt waren: Rockwell International, den Konstrukteur des Shuttles und seiner Hauptantriebswerke, Lockheed, dem die Bodenunterstützung oblag, Martin Marietta, den Hersteller des externen Brennstoffbehälters, und Morton Thiokol, dessen Feststoff-Trägerrakete Challenger in den Weltraum katapultieren sollte. Zwanzig Minuten nach der Explosion war der Aktienwert von Lockheed um fünf, von Martin Marietta um drei und von Rockwell um sechs Prozent gefallen.
    Am schlimmsten traf es die Morton-Thiokol-Aktie. Wie die Professoren Michael T. Maloney und J. Harold Mulherin in ihrer faszinierenden Studie über die Marktreaktion auf die Challenger -Katastrophe berichten, versuchte eine solch große Anzahl Investoren Thiokol-Aktien zu verkaufen und stieß dabei auf eine solch geringe Resonanz, dass der Handel fast unmittelbar darauf ausgesetzt wurde. Als die Aktie wieder gehandelt wurde – nahezu eine Stunde nach der Explosion -, hatte sie sechs Prozentpunkte eingebüßt. Bei Tagesende hatte sich der Wertverlust auf fast zwölf Prozent verdoppelt. Die Aktien der drei übrigen Unternehmen dagegen begannen sich bald wieder zu erholen, sodass ihr Wert bei Börsenschluss nur einen Rückgang um rund drei Prozent verzeichnete.
    Das bedeutet: Der Aktienmarkt hatte sozusagen prompt Morton Thiokol als Sündenbock für die Challenger -Katastrophe auserkoren. Der Aktienmarkt ist, jedenfalls in der Theorie, eine Maschinerie zur Berechnung des aktuellen Wertes des gesamten »freien Cashflow«, den ein Unternehmen künftig verdienen wird. (Freier Cashflow ist das Kapital, das nach Begleichung aller Rechnungen und Steuern, nach Abschreibungen und Investitionen einem Unternehmen übrig bleibt. Es ist die Summe, die Sie mit nach Hause nehmen und auf Ihr Bankkonto einzahlen würden, wenn Sie der Alleininhaber wären.) Der Absturz der Thiokol-Aktie war – insbesondere verglichen mit den geringen Aktienverlusten der übrigen drei Unternehmen – ein klares Zeichen dafür, dass die Investoren Thiokol für verantwortlich hielten und mit für die Bilanzentwicklung des Unternehmens schwer wiegenden Folgen rechneten.
    Wie Maloney und Mulherin ausführen, gab

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