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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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verschiedenen Disziplinen ist es für den Einzelnen schwierig geworden, alles für ihn Notwendige zu wissen – das gilt insbesondere für experimentelle Fächer, deren hochentwickelte Geräte Spezialfähigkeiten erfordern. Die Kooperation gestattet Wissenschaftlern, in ihre Forschung viele unterschiedliche Wissensgebiete einzubeziehen, und das obendrein in aktiver Teilnahme (statt die Informationen nur einem Buch zu entnehmen). Eine Zusammenarbeit erleichtert auch die Inangriffnahme interdisziplinärer Aufgaben, die heute zu den wichtigsten und interessantesten zählen. Natürlich sehen kleine Gruppen sich da enormen Herausforderungen gegenüber, und die Aufteilung der Arbeiten, die Diskussion von Laborresultaten und das Erörtern der daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen können auch zu ziemlicher Zeitvergeudung führen. Die Nachteile werden jedoch für die meisten Wissenschaftler durch die Vorteile mehr als aufgewogen.
    Solche Zusammenarbeit funktioniert (wenn sie funktioniert) nicht zuletzt auch deshalb, weil sie eine Betrachtung der anstehenden Probleme aus vielen unterschiedlichen Perspektiven garantiert. Genau das war bei der Suche nach dem SARS-Erreger ja der Fall: Weil in den verschiedenen Labors unterschiedliche Ideen über die mögliche Krankheitsursache ventiliert wurden, kam ein breites Spektrum an Möglichkeiten in Betracht. Dass mehrere Labors mit den gleichen Gewebeproben parallel forschten, schloss zwar das Risiko einer hohen Duplizierung ein, erwies sich angesichts der daraus resultierenden einzigartigen Daten aber als fruchtbar.
    Eine Kooperation kann nur dann wirklich Erfolg haben, wenn sie den einzelnen Forscher in der Gruppe leistungsfähiger macht – was, wie zahlreiche Untersuchungen nachgewiesen haben, in überwiegendem Maße tatsächlich der Fall ist. Die Ökonomin Paula Stephan schreibt: »Kooperierende Forscher sind produktiver und produzieren häufig ›bessere‹ Wissenschaft als Einzelgänger.« Und der Sozialwissenschaftler Etienne Wenger ergänzt: »Die Lösung der heutigen komplexen Aufgaben erfordert eine Vielzahl von Perspektiven. Die Zeiten eines Leonardo da Vinci sind vorbei.«
    Mit dieser Aussage ist jedoch keineswegs gemeint, dass die Zusammenarbeit persönliche Kreativität mindert oder erstickt. Sie hat sogar ein auf den ersten Blick überraschendes Phänomen gezeitigt: Je schöpferischer und berühmter ein Forscher ist, desto häufiger tut er sich heutzutage mit anderen zusammen. Und dies ist seit Jahrzehnten Usus. So haben beispielsweise D. J. La Solla Price und Donald B. Beaver in einer Analyse der Publikationen von 592 Naturwissenschaftlern bereits 1966 festgestellt, dass »der produktivste Forscher auch mit Abstand am meisten mit anderen kooperierte, und drei der vier nächstproduktivsten zählen zu den Forschern, die besonders häufig kooperativ arbeiten«. In einer ähnlichen Untersuchung verglich Harriet Zuckerman 41 Nobelpreisträger mit einer Auswahl vergleichbarer Wissenschaftler. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diese Koryphäen häufiger in Zusammenarbeit mit Kollegen forschten. Nun ist das, zugegeben, für berühmte Wissenschaftler auch sehr viel leichter, weil ja eigentlich jeder davon träumt, einmal mit ihnen gemeinsam tätig sein zu dürfen. Andererseits hätte man doch wohl vermutet, sie könnten davon am wenigsten profitieren. Dass nun aber gerade sie in so hohem Maße auf ein Zusammenarbeiten mit Kollegen Wert legen, beweist, welch eine eminent wichtige Bedeutung das Kooperieren in der modernen Wissenschaft erlangt hat.
    Eine globale Kooperation, wie wir sie bei der Identifizierung des SARS-Virus kennen gelernt haben, ist allerdings ungewöhnlich. Gewiss, die Wissenschaftler bilden heutzutage eine globale Gemeinschaft. Dennoch ist es so, dass ein Forscher auch heute vor allem mit Kollegen aus seiner engeren Umgebung zusammenarbeitet. So nutzen einer Untersuchung von Barry Bozeman zufolge die Wissenschaftler an den Universitäten lediglich ein Drittel ihrer Zeit, um mit Kollegen außerhalb ihrer unmittelbaren Arbeitsgruppe, und lediglich ein Viertel ihres Zeitpensums, um mit Kollegen jenseits der eigenen Universität zu kooperieren. Verwundern kann dies eigentlich nicht. Denn bei allem Gerede vom »Schwinden der Distanzen« arbeitet man bislang noch immer vorzugsweise mit Kollegen in der Nähe zusammen. Das Beispiel der SARS-Forschung hat allerdings sichtbar gemacht, dass sich hier ein Wandel anbahnt. Die neuen Technologien machen globale Kooperationen

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