Die Weisheit des Feuers
Geschöpf wehrte sich gegen seine Versuche, es zu verstehen. Die wenigen Eindrücke, die er erhaschte, waren so fremdartig, dass sie ihm unverständlich blieben.
Nach einer letzten, nahezu sekundenschnellen Rundreise durch seinen Körper zog sich das Wesen zurück und die Verbindung brach ab, als wäre ein Seil unter zu hoher Spannung gerissen. Der Strahlenkranz um Eragons Hand verblasste, und zurück blieb ein grelles pinkfarbenes Nachbild, das über sein Blickfeld zuckte.
Die Kugel vor Eragons Nase wechselte erneut die Farbe, schrumpfte auf die Größe eines Apfels zusammen und reihte sich wieder in den pulsierenden Lichtwirbel seiner Gefährten ein, der Eragon und Arya umgab. Das Sirren schwoll zu einem fast unerträglichen Lärm an, dann explodierte der Wirbel und versprengte die flackernden Kugeln in alle Windrichtungen. Etwa hundert Fuß von dem schummrigen Lager entfernt schlossen sie sich wieder zusammen und purzelten dabei übereinander wie spielende Kätzchen. Dann verschwanden sie rasend schnell nach Süden, als hätte es sie nie gegeben. Der Wind legte sich und wurde zu einer sanften Brise.
Eragon fiel auf die Knie und reckte die Arme in die Richtung, in der die Erscheinung verschwunden war. Er fühlte sich so leer ohne das Glücksgefühl, das sie ihm geschenkt hatte. »Was...«, fragte er. Dann musste er erst einmal kräftig husten, so trocken war seine Kehle. »Was war das?«
»Geister«, sagte Arya und setzte sich.
»Die Geister, die aus Durza fuhren, als ich ihn getötet habe, sahen aber anders aus.«
»Geister können nach Lust und Laune ganz unterschiedliche Gestalten annehmen.«
Er blinzelte und wischte sich mit dem Fingerrücken über die Augenwinkel. »Wie kann man es bloß ertragen, sie mit Hexerei zu versklaven? Das ist ungeheuerlich. Ich würde mich schämen, mich einen Magier zu nennen. Und Trianna brüstet sich immer damit, einer zu sein. Ich werde ihr verbieten, Geister zu benutzen, sonst werde ich sie aus der Du Vrangr Gata hinauswerfen und Nasuada bitten, sie aus den Reihen der Varden zu verbannen.«
»Nicht so hastig!«
»Du findest es doch sicher auch nicht richtig, dass Magier Geister dazu zwingen, ihrem Willen zu gehorchen... Sie sind so wunderschön...« Er brach ab und schüttelte den Kopf, von seinen Gefühlen überwältigt. »Man sollte jeden, der ihnen etwas antut, verprügeln.«
Mit dem Anflug eines Lächelns sagte Arya: »Ich nehme an, Oromis hatte das Thema noch nicht angesprochen, als du mit Saphira Ellesméra verlassen hast.«
»Wenn du die Geister meinst, die hat er ein paarmal erwähnt.«
»Aber offensichtlich nicht sehr ausgiebig.«
»Kann sein.«
Ihre Silhouette verschob sich im Dunkeln, als sie sich auf einen Ellbogen stützte. »Geister lösen immer ein Gefühl der Verzückung aus, wenn sie mit uns, die wir aus Materie bestehen, in Verbindung treten, aber lass dich davon nicht täuschen. Sie sind nicht so wohlmeinend, entgegenkommend und vergnügt, wie sie es dich glauben machen wollen. Es gehört zu ihrer Verteidigungsstrategie, diejenigen, mit denen sie interagieren müssen, bei Laune zu halten. Sie können es nicht ausstehen, an einem Ort festgehalten zu werden, und haben schon vor langer Zeit gemerkt, dass die Glücklichen weniger dazu neigen, sie einzusperren und als Dienstboten zu halten.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Eragon. »Sie machen einen so froh, dass ich mir vorstellen kann, man möchte sie eher in seiner Nähe haben, als sie gehen zu lassen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Geister haben genauso große Schwierigkeiten, unser Verhalten einzuschätzen, wie wir ihres. Sie haben so wenig mit den anderen Völkern von Alagaësia gemein, dass eine Verständigung mit ihnen immer riskant ist. Jedes Treffen steckt voller Gefahren, denn man weiß nie, wie sie reagieren.«
»Das erklärt alles nicht, warum ich Trianna nicht von dieser Art von Zauberei abhalten soll.«
»Hast du mal gesehen, wie sie die Geister dazu bringt, ihren Willen zu erfüllen?«
»Nein.«
»Das dachte ich mir. Trianna ist seit fast sechs Jahren bei den Varden und hat in dieser Zeit ihr Können genau einmal unter Beweis gestellt, und das auch erst nach vielem Zureden von Ajihad und großem Widerstand und eingehender Vorbereitung ihrerseits. Sie besitzt die nötigen Fähigkeiten - sie ist kein Scharlatan -, aber Geisterbeschwörung ist äußerst gefährlich und man befasst sich nicht leichtfertig damit.«
Eragon rieb sich die leuchtende Handfläche mit dem linken Daumen.
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