Die Weisheit des Feuers
er.
Arya beugte sich vor und murmelte:
»Flauga.«
Sie blies behutsam über das Schiff und es stieg von ihrer Hand auf und segelte einmal um das Feuer herum. Dann nahm es Fahrt auf, stieg nach oben und verschwand in den funkelnden Tiefen des Nachthimmels.
»Wie lange wird es unterwegs sein?«
»Für immer«, sagte sie. »Es holt sich die Energie von den Pflanzen unter sich. Überall, wo Pflanzen sind, kann es fliegen.«
Die Vorstellung verwirrte Eragon, und er fand es auch ziemlich traurig, dass das hübsche Grasschiff bis in alle Ewigkeit zwischen den Wolken umherreisen würde, nur in der Gesellschaft von Vögeln. »Stell dir vor, was die Leute in späteren Jahren für Geschichten darüber erzählen werden.«
Arya faltete die Hände, wie um sie davon abzuhalten, etwas anderes zu tun. »Es gibt viele solcher Merkwürdigkeiten auf der Welt. Je länger du lebst und je weiter du reist, desto mehr von ihnen wirst du begegnen.«
Eragon schaute eine Weile verträumt ins flackernde Feuer, dann sagte er: »Wenn es so wichtig ist, seinen wahren Namen für sich zu behalten, soll ich dann einen Zauber aussprechen, der Galbatorix daran hindert, meinen wahren Namen gegen mich einzusetzen?«
»Wenn du willst«, sagte Arya, »aber ich bezweifle, dass es nötig ist. Die wahren Namen sind nicht so leicht herauszufinden, wie du denkst. Galbatorix kennt dich nicht gut genug, um deinen Namen zu erraten, und wenn er schon in deinem Innern wäre und jeden deiner Gedanken ausforschen könnte, dann wärst du längst an ihn verloren, wahrer Name hin oder her. Wenn es dich irgendwie tröstet, ich bezweifle sogar, dass
ich
deinen wahren Namen erahnen könnte.«
»Nein?« Er war gleichzeitig froh und enttäuscht, dass sie glaubte, irgendein Teil von ihm wäre für sie ein Rätsel.
Sie sah ihn an, dann schlug sie die Augen nieder. »Nein, ich glaube nicht. Könntest du meinen herausfinden?«
»Nein.«
Stille hüllte das Lager ein. Über ihnen leuchteten die Sterne kalt und klar. Von Osten kam Wind auf. Er fuhr über die Ebene, peitschte das Gras und heulte mit dünner, lang gezogener Stimme, als beklage er den Verlust einer Geliebten. Er entfachte das Feuer von Neuem und trieb einen Funkenregen nach Westen davon. Eragon zog die Schultern hoch und schloss den Kragen seines Wamses enger um den Hals. Der Wind hatte etwas Unfreundliches an sich. Er nagte mit ungewohnter Heftigkeit an ihm und schien ihn und Arya vom Rest der Welt zu isolieren. Sie saßen bewegungslos da, gestrandet auf ihrer winzigen Insel aus Licht und Wärme, während der gewaltige Strom aus Luft an ihnen vorbeizog und seinen Schmerz in das einsame weite Land brüllte.
Als die Windböen heftiger wurden und die Funken weiter vom Feuer wegtrugen, streute Arya eine Handvoll Sand auf die Zweige. Eragon kniete sich neben sie und schaufelte mit beiden Händen, um den Prozess zu beschleunigen. Als das Feuer gelöscht war, hatte er Schwierigkeiten, etwas zu erkennen. Die Landschaft wirkte gespenstisch, voller tanzender Schatten, undeutlicher Silhouetten und silbriger Blätter.
Arya war gerade dabei, aufzustehen, hielt dann aber in halb gebückter Stellung inne, die Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Höchste Aufmerksamkeit zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Eragon spürte es ebenfalls: Die Luft war aufgeladen wie bei einem heraufziehenden Gewitter. Die Härchen auf seinen Handrücken stellten sich auf und zitterten im Wind.
»Was ist los?«, fragte er.
»Wir werden beobachtet. Egal was passiert, benutze keine Magie oder du könntest uns damit umbringen.«
»Wer...«
»Pst!«
Er tastete herum, fand einen faustgroßen Stein, riss ihn aus dem Boden und wog ihn in der Hand.
In der Ferne tauchte ein Bündel glühender bunter Lichter auf. Sie schossen dicht über dem Gras auf das Lager zu. Als sie näher kamen, sah er, dass sie ständig größer und kleiner wurden - von einer winzigen Perle wuchsen sie zu einer Kugel von mehreren Fuß Durchmesser an und schrumpften dann wieder -, auch die Farbe wechselte durch alle Schattierungen des Regenbogens. Jede Kugel war von einem knisternden Strahlenkranz umgeben, einem Hof aus flüssigen Fühlern, die um sich schlugen und peitschten, als könnten sie es gar nicht erwarten, dass sich irgendetwas in ihrem Griff verfing. Die Lichter bewegten sich so schnell, dass er nicht genau feststellen konnte, wie viele es waren, aber er schätzte, ungefähr zwei Dutzend. Sie wirbelten ins Lager und bildeten eine flirrende
Weitere Kostenlose Bücher