Die Weisheit des Feuers
Der Lichtschein veränderte sich ein wenig, da die Haut jetzt stärker durchblutet wurde, aber trotz aller Anstrengung ließ die Leuchtkraft nicht nach. Er kratzte sich mit den Fingernägeln über die Gedwëy Ignasia.
Hoffentlich hält das nicht länger als ein paar Stunden an,
dachte er.
Ich kann ja nicht als wandelnde Laterne herumlaufen. Das kostet mich womöglich das Leben. Und albern sieht es auch aus. Wer hat denn jemals von einem leuchtenden Drachenreiter gehört?
Er dachte daran, was Brom ihm einmal erzählt hatte. »Es sind keine menschlichen Geister, nicht wahr? Noch die von Elfen oder Zwergen oder anderen Kreaturen. Das heißt, es sind keine toten Seelen. Das, wozu wir werden, wenn wir sterben.«
»Nein. Ich weiß, jetzt wirst du als Nächstes fragen, was sie dann sind. Bitte nicht. Diese Frage sollte dir Oromis beantworten, nicht ich. Das Studium dieser Art von Zauberei ist lang und mühsam, wenn man es ordentlich betreibt, und sollte mit Sorgfalt in Angriff genommen werden. Ich möchte nichts sagen, was womöglich Oromis’ Unterrichtsplanung durcheinanderbringt. Und ich will vor allem nicht, dass du irgendetwas ausprobierst, was ich erwähnt habe, und dich verletzt, nur weil dir die richtige Anleitung fehlt.«
»Und wann werde ich wohl nach Ellesméra zurückkehren?«, wollte er wissen. »Ich kann die Varden nicht noch einmal im Stich lassen, nicht solange Dorn und Murtagh am Leben sind. Bis wir das Imperium besiegt haben oder das Imperium uns, müssen Saphira und ich Nasuada unterstützen. Wenn Oromis und Glaedr unsere Ausbildung tatsächlich beenden wollen, dann sollen sie doch zu uns kommen und Galbatorix soll verflucht sein!«
»Bitte, Eragon«, sagte sie. »Dieser Krieg wird nicht so schnell zu Ende sein, wie du denkst. Das Imperium ist groß und wir haben bisher lediglich an den Rändern gekratzt. Solange Galbatorix nichts von Oromis und Glaedr weiß, sind wir im Vorteil.«
»Was ist das für ein Vorteil, wenn sie nie von ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten Gebrauch machen?«, brummte er. Sie antwortete nicht und im nächsten Augenblick kam ihm sein Gejammer schon kindisch vor. Oromis und Glaedr brannten mehr als irgendjemand sonst darauf, Galbatorix zu vernichten, und wenn sie es vorzogen, in Ellesméra auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, dann hatten sie gute Gründe dafür. Eragon hätte sogar ein paar davon nennen können, wenn er gewollt hätte. Vor allem den, dass Oromis keine Zauber wirken konnte, die große Mengen an Energie erforderten.
Fröstelnd zog er sich die Ärmel bis über die Finger und verschränkte die Arme. »Was hast du dem Geist erzählt?«
»Er war neugierig, warum wir magische Kräfte benutzt haben. Das hat sie auf uns aufmerksam gemacht. Ich habe es ihm erklärt und auch, dass du derjenige warst, der die Geister befreit hat, die in Durza gefangen waren. Das hat ihnen anscheinend sehr gefallen.« Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Arya rutschte zu der Lilie und berührte sie erneut. »Oh!«, sagte sie. »Sie waren wirklich dankbar.
Naina!
«
Auf ihr Wort erhellte ein sanftes Licht das Lager, und er sah, dass der Stängel und das Blatt der Pflanze aus massivem Gold waren. Die Blütenblätter bestanden aus einem weißlichen Metall, das er nicht kannte, und als Arya die Blüte nach oben bog, sah es aus, als wäre der Blütenkelch aus Rubinen und Diamanten geschnitzt. Verblüfft fuhr Eragon mit dem Finger über das gebogene Blatt und die metallenen Härchen kitzelten ihn. Als er sich vorbeugte, konnte er jede Unebenheit, jede Rille, Vertiefung und Ader und jedes winzige Detail erkennen, mit dem er die Pflanze verziert hatte. Nur war jetzt alles aus Gold.
»Es ist eine perfekte Kopie!«, sagte er.
»Und sie ist immer noch lebendig.«
»Nein!« Konzentriert suchte er nach den leisen Anzeichen von Wärme und Bewegung, die beweisen würden, dass diese Lilie mehr war als ein lebloser Gegenstand. Da waren sie, so deutlich, wie sie bei einer Pflanze während der Nacht nur sein konnten. Erneut betastete er das Blatt und sagte: »Das übersteigt alles, was ich über Magie weiß. Diese Lilie müsste eigentlich tot sein. Stattdessen blüht und gedeiht sie. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was man alles aufwenden muss, um eine Pflanze in lebendiges Metall zu verwandeln. Vielleicht würde Saphira es ja zuwege bringen, aber sie könnte den Zauberspruch natürlich niemanden lehren.«
»Die wirklich interessante Frage ist doch«, sagte Arya, »ob diese Pflanze
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