Die Weisheit des Feuers
fruchtbare Samen hervorbringen wird.«
»Du meinst, sie könnte sich ausbreiten?«
»Es würde mich nicht wundern. Es gibt unzählige Beispiele für Magie in Alagaësia, die sich selbst aufrechterhält, wie den schwimmenden Kristall auf der Insel Eoam und die Traumzisterne in Manis Kavernen. Es wäre auch nicht unwahrscheinlicher als eins dieser Phänomene.«
»Das Dumme ist nur, wenn irgendjemand diese Blume oder ihre Ableger entdeckt, wird er sie alle ausbuddeln. Sämtliche Schatzjäger des Landes würden herkommen, um die goldenen Lilien zu pflücken.«
»So leicht wird man sie nicht ausrotten können, glaube ich. Aber das kann nur die Zeit mit Sicherheit zeigen.«
Eragon spürte, wie ein Lachen in ihm aufstieg. Seine Fröhlichkeit kannte fast keine Grenzen mehr: »Ich habe dieses Sprichwort schon mal gehört: ›die Lilie zu vergolden‹, aber hier haben die Geister es wörtlich genommen. Sie haben wirklich die Lilie vergoldet!« Sein Gelächter schallte über die leere Ebene hinweg.
Aryas Lippen zuckten. »Aber sie haben es gut gemeint. Wir können ihnen nicht vorwerfen, dass sie die Redewendungen der Menschen nicht kennen.«
»Nein, aber... ha, ha, ha!«
Arya schnippte mit dem Finger und der schwache Lichtschein erlosch. »Jetzt haben wir fast die ganze Nacht verplaudert. Es wird Zeit, uns auszuruhen. Die Morgendämmerung ist nicht mehr fern und dann müssen wir aufbrechen.«
Eragon streckte sich auf einem weichen Moosflecken aus, und während er noch immer leise lachte, glitt er ins Land seiner Wachträume hinüber.
RAUSCHENDER EMPFANG
A m späten Nachmittag kam das Lager der Varden in Sicht. Eragon und Arya blieben auf einer Anhöhe stehen und betrachteten die riesige Zeltstadt, die sich unter ihnen ausbreitete. Tausende von Menschen und Pferden waren zu sehen; von unzähligen Kochfeuern stieg Rauch auf. Westlich der Zeltreihen floss der baumgesäumte Jiet-Strom. Eine halbe Meile nach Osten gab es ein zweites kleineres Lager wie eine dem Mutterkontinent vorgelagerte Insel. Dort kampierten die von Nar Garzhvog angeführten Urgals. Einige Meilen um das Lager herum waren Dutzende Reitergruppen unterwegs. Es waren entweder Patrouillen oder bannertragende Boten. Zudem Gruppen, die gerade ausrückten oder von einem Einsatz zurückkehrten. Plötzlich bemerkten zwei der Wachtrupps Eragon und Arya. Sie bliesen in ihre Signalhörner und kamen in vollem Galopp zu ihnen herübergeritten.
Ein breites Lächeln legte sich auf Eragons Gesicht. »Wir haben es geschafft! Murtagh, Dorn, Hunderte von Soldaten, Galbatorix’ Magier, die Ra’zac - keiner konnte uns etwas anhaben. Ha! Wenn der König das erfährt, wird er platzen vor Wut.«
»Es macht ihn noch gefährlicher, als er schon ist«, warnte Arya.
»Ich weiß«, sagte Eragon und grinste noch unverschämter. »Vielleicht wird er so wütend, dass er vergisst, seinen Soldaten den Sold zu zahlen. Dann werfen sie ihre Waffen und Uniformen weg und schließen sich den Varden an.«
»Na, du hast heute aber gute Laune.«
»Natürlich. Warum auch nicht?« Er stellte sich auf die Zehenspitzen und öffnete seinen Geist, sammelte seine ganze Kraft und brüllte:
Saphira!,
sodass der Gedanke wie ein Speer über die Landschaft schoss.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Eragon!
Ihre Geister umfingen einander, streichelten und liebkosten sich, ließen nicht mehr vom anderen ab. Sie tauschten sich aus über die Zeit, die sie getrennt gewesen waren. Saphira tröstete ihn und linderte den Schmerz und die Wut, die sich seit dem Tod der Soldaten in ihm aufgestaut hatten. Er lächelte. Wieder bei ihr zu sein, ließ ihn allen Kummer vergessen.
Ich habe dich vermisst,
sagte er.
Ich dich auch, Kleiner.
Dann schickte sie ihm ein Bild von den Soldaten, gegen die er und Arya gekämpft hatten, und sagte:
Jedes Mal wenn ich dich alleine lasse, gerätst du in Schwierigkeiten. Jedes Mal! Ich traue mich schon gar nicht mehr, dir den Schwanz zuzuwenden. Denn ich muss fürchten, dass du dich in ein tödliches Duell verstrickst, sobald ich den Blick von dir abwende.
Sei nicht ungerecht. Ich bin auch in viele brenzlige Situationen geschlittert, wenn du dabei warst. Es passiert nicht nur, wenn ich allein unterwegs bin. Wir beide scheinen Ärger anzuziehen wie ein Magnet.
Nein, du bist der Magnet,
schnaubte sie.
Wenn ich allein unterwegs bin, geschieht nie etwas Unerwartetes. Du dagegen ziehst Kämpfe an, Hinterhalte, unsterbliche Feinde, finstere Wesen wie
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