Die Weisheit des Feuers
Nasuadas Ansprache war sie steif und langweilig. Die Leute hörten ihm höflich zu und applaudierten hinterher, aber für Eragon war offensichtlich, dass sie Orrin zwar respektierten, ihn aber nicht verehrten, wie sie Nasuada verehrten. Sie ließen sich von ihm nicht mitreißen. Der König mit den weichen Zügen besaß wohl einen überragenden Intellekt, aber er war viel zu entrückt, absonderlich und reserviert, um ein Hoffnungsträger für die verzweifelten Menschen zu sein, die Galbatorix den Kampf angesagt hatten.
Falls wir Galbatorix stürzen,
sagte Eragon zu Saphira,
sollte auf jeden Fall nicht Orrin sein Nachfolger werden. Er könnte das Land nicht in der gleichen Weise unter sich einen, wie Nasuada die Varden geeint hat.
Das stimmt.
Als Orrin fertig war, flüsterte Nasuada Eragon zu: »Jetzt musst du zu den Menschen sprechen. Deshalb sind sie ja gekommen, um einen Blick auf den berühmten Drachenreiter zu erhaschen.« Ein lustiges Blitzen lag in ihren Augen.
»Ich?«
»Ja, das erwartet man von dir.«
Eragon wandte sich der riesigen Menschenmenge zu, seine Zunge trocken wie Wüstensand. Sein Kopf war leer und einige panikerfüllte Sekunden lang glaubte er schon, es hätte ihm die Sprache verschlagen und er würde sich fürchterlich blamieren. Irgendwo wieherte ein Pferd, aber davon abgesehen war es im Lager erschreckend still geworden. Es war Saphira, die ihn aus seiner Lähmung riss, indem sie ihn mit der Schnauze am Ellbogen stupste.
Erzähl doch, wie sehr dich ihre Unterstützung ehrt und wie glücklich du bist, wieder unter ihnen zu weilen,
sagte sie. Mit ihrer Hilfe gelang es ihm, sich einige halbwegs vernünftige Sätze abzuringen. Sobald die Gesetze der Höflichkeit es zuließen, verneigte er sich und trat einen Schritt zurück.
Während die Varden erneut in frenetischen Jubel ausbrachen und mit den Schwertern gegen ihre Schilde klopften, lächelte er gezwungen und sagte zu Saphira:
Es war grauenvoll! Da würde ich lieber noch mal gegen einen Schatten kämpfen.
Ach was! So schlimm war es gar nicht, Eragon.
Doch, das war es!
Ein Rauchwölkchen stieg ihr aus den Nüstern, als sie belustigt schnaubte.
Ein schöner Drachenreiter bist du. Hast Angst, zu einer größeren Menge zu sprechen! Wenn Galbatorix das wüsste, könnte er dich besiegen, indem er dich einfach vor seiner Streitmacht eine Rede halten lässt. Ha!
Sehr lustig,
grummelte er, aber Saphira kicherte ungerührt weiter.
DIE STUNDE DER WAHRHEIT
N ach Eragons Ansprache winkte die Anführerin der Varden Jörmundur zu sich. »Die Männer sollen auf ihre Posten zurückkehren. Im Falle eines Angriffs wären wir im Moment völlig ungeschützt.«
»Jawohl.«
Nasuada bedeutete Eragon und Arya, ihr zu folgen. Sie legte König Orrin die Hand auf den Unterarm und trat mit dem Regenten in den Pavillon.
Und was ist mit dir?,
fragte Eragon Saphira, als er hinter den beiden herging. Im Zelt sah er, dass die hintere Plane hochgerollt und an dem Holzgestänge darüber befestigt worden war, sodass Saphira den Kopf hereinstecken und an dem Gespräch teilnehmen konnte. Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis sie sich dort niedergelassen hatte und ihr schimmerndes Haupt und ihr Hals in der Öffnung erschienen. Purpurne Lichtflecken schmückten die Wände, von Saphiras blauen Schuppen auf den roten Stoff projiziert.
Eragon sah sich um. Verglichen mit seinem letzten Besuch war der Raum fast leer. Saphira hatte ganze Arbeit geleistet, als sie in den Pavillon gekrochen war, um ihn in Nasuadas Spiegel zu sehen. Mit nur vier Möbelstücken war die Einrichtung selbst nach militärischen Maßstäben äußerst karg. Geblieben war der massive Stuhl, auf dem Nasuada, flankiert von König Orrin, saß, ein Klappstuhl, ein niedriger Tisch, auf dem Landkarten und andere wichtige Dokumente lagen, und der Silberspiegel, der in Augenhöhe an einer Messingsäule hing. Auf dem Boden lag ein kunstvoll geknüpfter Zwergenteppich. Neben Arya und ihm selbst hatte sich bereits ein Dutzend anderer Leute vor Nasuada versammelt. Alle sahen sie ihn an. Er erkannte unter ihnen Narheim, den derzeitigen Befehlshaber der Zwergenstreitmacht, Trianna und andere Magier der Du Vrangr Gata, Sabrae, Umérth und die übrigen Mitglieder des Ältestenrates bis auf Jörmundur sowie eine Gruppe von Adligen und Funktionären vom Hofe König Orrins. Diejenigen, die er nicht kannte, bekleideten sicherlich hohe Positionen in der Varden-Streitmacht. Zudem war Nasuadas
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