Die Weisheit des Feuers
Hunderte von Männern, Urgals und Pferden panisch durcheinander. Gelegentlich drang das Klirren von Schwertern und der Schrei eines Verwundeten durch den Lärm, begleitet von verrücktem Gelächter.
Ich glaube, sie sollen uns beschützen,
erklärte Saphira.
Uns? Vor wem? Warum haben sie die Soldaten nicht schon längst getötet? Wo...?
Eragon verzichtete darauf, die Frage zu stellen, als Arya, Bloëdhgarm und vier weitere Elfen vom Lager her auf Saphira zuliefen. Eragon hob grüßend die Hand. »Arya!«, rief er. »Was ist passiert? Offenbar hat hier niemand das Kommando!«
Zu Eragons Bestürzung rang Arya so nach Luft, dass sie eine Weile nicht antworten konnte. »Die Soldaten haben sich als weit gefährlicher erwiesen, als wir angenommen haben«, keuchte sie schließlich. »Wir wissen nicht, warum. Die Du Vrangr Gata haben nur unzusammenhängende Wortfetzen von Orrins Zauberern aufschnappen können.« Arya kam allmählich zu Atem und machte sich daran, Saphiras Wunden zu untersuchen.
Bevor Eragon weiterfragen konnte, übertönte erregtes Gebrüll aus dem Gewirr von Kriegern alle anderen Kampfgeräusche. »Zurück, alle zurück!«, hörte er König Orrin schreien. »Bogenschützen, Stellung halten! Verflucht, keiner rührt sich! Wir haben ihn!«
Saphira hatte denselben Gedanken wie Eragon. Sie stieß sich vom Boden ab und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Kreis aus Reitern, deren Pferde scheuten und durchgingen, und trampelte über das von Leichen übersäte Schlachtfeld in die Richtung, aus der König Orrins Stimme kam. Dabei fegte sie Menschen und Urgals beiseite, als wären es Grashalme. Die sechs Elfen rannten neben ihr her, die Schwerter gezückt und die Bogen schussbereit in den Händen.
Orrin saß auf seinem Schlachtross an der Spitze der dicht gedrängten Krieger und starrte einen einzelnen Soldaten knapp vierzig Fuß von ihm entfernt an. Das Gesicht des Königs war gerötet, die Augen hatte er weit aufgerissen und seine Rüstung war blutverschmiert und dreckig. Am linken Arm hatte er eine Stichwunde davongetragen, und der abgebrochene Schaft eines Speeres ragte ein Stück aus seinem linken Oberschenkel. Als er Saphira bemerkte, zeichnete sich Erleichterung auf seinen Zügen ab.
»Gut, sehr gut, da seid ihr ja«, murmelte er, während Saphira vor sein Streitross trat. »Wir hätten dich brauchen können, Saphira, und auch dich, Schattentöter.« Einer der Bogenschützen trat ein Stück vor, doch Orrin winkte ihn mit dem Schwert zurück. »Halt! Ich schlage jedem den Kopf ab, der nicht bleibt, wo er ist! Das schwöre ich bei Angvards Krone!« Dann starrte er wieder wütend auf den einzelnen Soldaten.
Eragon folgte seinem Blick. Der Mann war mittelgroß, ein purpurnes Geburtsmal leuchtete an seinem Hals, und das schweißnasse braune Haar klebte ihm am Schädel, platt gedrückt von dem Helm, den er verloren hatte. Sein Schild war zersplittert, das Schwert, von dessen Klinge eine Handbreit abgebrochen war, von Kerben übersät. Die Hose des Mannes war schlammig und aus einer tiefen Wunde zwischen seinen Rippen quoll Blut. In seinem rechten Fuß steckte ein Pfeil mit weißen Schwanenfedern, dessen Schaft zu drei Vierteln in den hart getretenen Lehm eingedrungen war und ihn am Boden festnagelte. Aus der Kehle des Mannes drang ein schreckliches gurgelndes Lachen. Es schwoll in einer trunkenen Kadenz an und ab und wurde immer schriller, als wollte der Soldat jeden Moment vor Entsetzen kreischen.
»Was bist du?«, schrie König Orrin. Als der Mann nicht sofort antwortete, stieß der König einen Fluch aus. »Antworte!«, drohte er, »oder ich lasse meine Magier auf dich los! Bist du Mensch, Bestie oder irgendein verfluchter Dämon? In welcher Mistgrube hat Galbatorix dich und deine Kameraden gefunden? Bist du mit den Ra’zac verwandt?«
Die letzte Frage durchbohrte Eragon wie ein Pfeil; er straffte sich mit einem Ruck und seine Sinne waren plötzlich hellwach.
Das wahnsinnige Gelächter verstummte einen Herzschlag lang. »Mensch. Ich bin ein Mensch.«
»Ich kenne keine Menschen wie dich!«
»Ich wollte die Zukunft meiner Familie sichern. Ist dir das so fremd, Surdaner?«
»Sprich nicht in Rätseln, du doppelzüngiger Schuft! Sag mir, wie du zu dem wurdest, was du bist, und antworte aufrichtig, sonst lasse ich dir kochendes Blei in den Schlund gießen. Wir werden schon sehen, wie dir das gefällt!«
Das irre Kichern steigerte sich. »Du kannst mir keine Schmerzen zufügen, Surdaner.
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