Die Weisheit des Feuers
Rucksacks, legte den Bogen und den Köcher obendrauf und band sie an das Gestell. Er wollte gerade das Krummschwert dazulegen, als ihm auffiel, dass die Klinge aus der Scheide rutschen könnte, wenn er sich zur Seite beugte. Deshalb befestigte er die Waffe senkrecht an der Rückseite des Rucksacks, sodass der Griff zwischen seinem Hals und der rechten Schulter herausragte. So konnte er das Schwert jederzeit ziehen.
Dann durchstieß er die Mauer um seinen Geist und fühlte, wie die Energie durch seinen Körper und die zwölf Edelsteine brandete. Er zapfte den Kraftstrom an und murmelte den Zauber, den er erst einmal gewirkt hatte: Es war jene Beschwörung, die die Reflektionen des Lichts um ihn herumlenkte und ihn dadurch unsichtbar machte. Eine leichte Müdigkeit überkam ihn.
Er sah an sich hinunter. Es war eine etwas verstörende Erfahrung, ungehindert durch seinen Oberkörper und die Beine hindurch auf seine Fußabdrücke im Sand blicken zu können.
Und jetzt zum schwierigen Teil,
sagte er sich.
Er ging zur hinteren Zeltwand, schnitt mit seinem Jagdmesser einen langen Schlitz in das feste Material und zwängte sich durch die Öffnung. Bloëdhgarm wartete bereits auf ihn, geschmeidig wie eine Katze. Der Wolfkatzenelf neigte den Kopf ungefähr in seine Richtung. »Schattentöter«, murmelte er und flickte den Riss mithilfe eines halben Dutzend Wörter in der alten Sprache.
Eragon schlich den Pfad zwischen zwei Zeltreihen entlang und nutzte seine Erfahrungen bei der Jagd, um so leise wie möglich zu sein. Sobald sich jemand näherte, verließ er den Pfad und verharrte regungslos zwischen den Zelten. Er hoffte, dass niemand die Spuren im Staub und Gras bemerkte, und verwünschte die Trockenheit; seine Stiefel wirbelten kleine Staubwolken auf, auch wenn er noch so behutsam auftrat. Zu seiner Überraschung wurde sein Gleichgewichtssinn dadurch beeinträchtigt, dass er unsichtbar war: weil er seine Hände und Füße nicht sehen konnte, schätzte er Entfernungen falsch ein und stieß ständig irgendwo an, fast als hätte er zu viel Bier getrunken.
Trotz dieser Unsicherheiten erreichte er nach kurzer Zeit unbemerkt den Rand des Lagers. Hinter einem Regenfass, dessen dunkler Schatten seine Fußabdrücke verbarg, blieb er stehen und musterte die Erdwälle und die Gräben mit den spitzen Pfählen, die die östliche Flanke der Varden schützten. Es wäre äußerst schwierig gewesen, in das Lager zu gelangen, ohne dabei von einem der vielen Wachposten entdeckt zu werden, die auf den Wällen patrouillierten, selbst wenn man unsichtbar war. Da die Gräben und Wälle jedoch errichtet worden waren, um die Angreifer abzuwehren und nicht die Lagernden einzusperren, war es erheblich leichter, sie von innen zu überwinden.
Eragon wartete, bis ihm die beiden Wachposten in seiner Nähe den Rücken zukehrten, dann sprintete er los, so schnell er konnte. In nur wenigen Sekunden hatte er die etwa hundert Fuß vom Regenfass bis zum Erdwall überwunden und rannte ihn so rasch hinauf, dass er sich fast wie ein Stein vorkam, der über das Wasser hüpfte. Auf der Kuppe stieß er sich mit aller Kraft vom Boden ab und sprang mit rudernden Armen über die Verteidigungslinie der Varden. Drei Herzschläge lang flog er durch die Luft, bis er mit einem Ruck landete, der ihm durch Mark und Bein ging.
Nachdem er sich gefangen hatte, legte er sich flach auf den Boden und hielt den Atem an. Einer der Wachposten blieb stehen und sah sich um, schien jedoch nichts Ungewöhnliches zu bemerken, denn nach einem Moment setzte er seinen Gang fort. Eragon atmete erleichtert aus, flüsterte:
»Du Deloi lunaea«,
und spürte, wie der Zauberspruch die Fußspuren glättete, die er auf dem Wall hinterlassen hatte.
Nach wie vor unsichtbar stand er auf und entfernte sich langsam vom Lager, sorgsam darum bemüht, nur auf Grasbüschel zu treten, damit er nicht noch mehr Staub aufwirbelte. Je weiter er sich von den Wachposten entfernte, desto schneller lief er, bis er rascher über das Land eilte als ein galoppierendes Pferd.
Eine knappe Stunde später rutschte er mit großen Schritten die steile Böschung einer Senke hinab, die Wind und Wasser in die Steppe gegraben hatten. Am Boden floss ein Bach, dessen Ufer mit Binsen und Schilfrohr bewachsen war. Er folgte ihm flussabwärts, hielt sich aber von dem weichen Boden neben dem Wasser fern, um keine Spuren zu hinterlassen. Schließlich verbreiterte sich der Bach zu einem kleinen Weiher, an dessen Rand ein halb
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