Die Weisheit des Feuers
Schütteln ihres Kopfes brach sie der Kuh das Genick. Dann kauerte sie über ihrer Beute und sah Eragon erwartungsvoll an.
Der schloss die Augen und tastete mit seinem Geist nach der Kuh. Das Bewusstsein des Tieres verblasste bereits, aber sein Körper lebte noch und vibrierte vor Energie, die die Panik gerade eben freigesetzt hatte. Was Eragon jetzt tun musste, widerte ihn an, aber er ignorierte das Gefühl. Er legte eine Hand auf den Gürtel von Beloth dem Weisen und übertrug so viel Lebenskraft, wie er konnte, von der Kuh in die zwölf im Gürtel eingenähten Diamanten. Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden.
Dann nickte er Saphira zu.
Ich bin fertig.
Der Drachenreiter dankte den Männern für ihre Hilfe und sie ließen ihn und Saphira allein.
Während Saphira sich satt fraß, setzte Eragon sich, lehnte sich mit dem Rücken an das Metfass und sah den Köchen bei der Arbeit zu. Jedes Mal wenn sie oder ihre Helfer ein Huhn köpften oder einem Schwein oder einem anderen Tier die Gurgel durchschnitten, übertrug er die Kraft des sterbenden Tieres in Beloths Gürtel. Er musste sich immer wieder dazu überwinden, denn die meisten Tiere lebten noch, wenn er ihr Bewusstsein berührte. Der tosende Sturm ihrer Furcht, ihrer Verwirrung und ihres Schmerzes hämmerte auf ihn ein, bis sein Herz raste, seine Stirn mit Schweiß bedeckt war und er sich nichts sehnlicher wünschte, als diese leidenden Kreaturen zu heilen. Er wusste natürlich, dass es ihr Los war zu sterben, ansonsten würden die Varden verhungern.
Bei den letzten Kämpfen hatte Eragon seine Energiereserven fast völlig erschöpft, und er wollte sie auffüllen, bevor er sich auf eine so lange und möglicherweise gefährliche Reise machte. Hätte Nasuada ihm erlaubt, nur eine Woche länger bei den Varden zu bleiben, hätte er Lebenskraft aus seinem eigenen Körper in die Diamanten übertragen können und danach noch genug Zeit gehabt, sich zu erholen, bevor er nach Farthen Dûr aufbrach. Die wenigen Stunden, die ihm bis zur Abreise blieben, genügten dafür jedoch nicht. Selbst wenn er nur im Bett gelegen hätte und das Feuer in seinen Gliedern in die Edelsteine hätte strömen lassen, hätte er nicht so viel Kraft sammeln können wie von den vielen sterbenden Tieren.
Die Diamanten im Gürtel von Beloth dem Weisen konnten eine nahezu unbegrenzte Menge Energie speichern. Irgendwann konnte er die Vorstellung, sich noch einmal in die Todesqualen eines Tieres zu versenken, nicht mehr ertragen und hörte auf. Zitternd und von Kopf bis Fuß in Schweiß gebadet, beugte er sich vor. Er stützte die Hände auf die Knie, starrte auf den Boden zwischen seinen Füßen und kämpfte gegen den aufsteigenden Brechreiz an. Erinnerungen überfielen ihn, die nicht die seinen waren, sondern Saphiras. Wie sie mit ihm über den Leona-See glitt, wie sie zusammen in das klare, kalte Wasser gestürzt waren und eine Wolke aus weißen Luftblasen an ihnen vorbei an die Oberfläche trieb; an ihre gemeinsame Freude am Fliegen, Schwimmen und Spielen.
Seine Atemzüge wurden ruhiger, und er blickte zu Saphira, die zwischen den Resten ihrer Beute saß und auf dem Schädel der Kuh herumkaute. Er lächelte und schickte ihr seinen Dank für ihre Hilfe.
Wir können jetzt gehen,
sagte er dann.
Saphira schluckte.
Nimm auch meine Lebenskraft. Du kannst sie brauchen.
Nein.
Diesen Streit wirst du nicht gewinnen. Ich bestehe darauf.
Ich ebenfalls. Ich werde dich hier nicht geschwächt und kampfunfähig zurücklassen. Wir beide müssen jederzeit kampfbereit sein. Was, wenn Murtagh und Dorn heute noch angreifen? Dann schwebst du in weit größerer Gefahr als ich, da Galbatorix und das ganze Imperium glauben, dass ich noch bei dir bin.
Schon, aber du wirst allein mit einem Kull durch die Wildnis laufen.
Ich bin genau wie du an die Wildnis gewöhnt. Es macht mir keine Angst, mich abseits der Zivilisation zu bewegen. Und was den Kull angeht... Ich weiß zwar nicht, ob ich ihn bei einem Ringkampf besiegen könnte, aber meine Schutzzauber bewahren mich vor jedem Verrat. Ich habe genug Energie gespeichert, Saphira. Du brauchst mir keine mehr zu geben.
Sie betrachtete ihn und dachte über seine Worte nach. Schließlich hob sie eine Klaue und leckte das Blut ab.
Also gut. Dann behalte ich meine Energie.
Sie schmunzelte und ließ die Klaue sinken.
Wärst du so nett, mir das Fass Met herüberzurollen?
Stöhnend rappelte Eragon sich auf und erfüllte ihr den Wunsch. Sie fuhr eine Kralle aus und
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